berliner szenen: Zum Job, nicht zu Thomas
Jemand roch gut. Ein Geruch zwischen Sonnenmilch, Duschgel und frischer Haut; ein Geruch nach einem frühen Nachmittag im Sommer.
Ich sah mich um, konnte die Geruchsquelle aber nicht ausmachen. Ein junger Mann stand in der Mitte des Busses nahe der mittleren Tür und hielt sich ein Tablet an die Backe. Er skypte. Wörter wie Jobcenter, Schwerbehindertenausweis und Festanstellung fielen. Auf dem Kopf trug er einen schwarzen Deckel mit Schirm, der für die Sportartikelfirma Werbung machte, die den Deckel hergestellt hatte. Der Bus schwankte, machte sich von der nächsten Haltestelle los.
Der Schnee, der in Regen übergegangen war, hatte aufgehört. Aber es schien, als hingen die Wolken viel zu tief über den Dächern der Stadt. Nichts, was man fotografieren wollte. Eine ältere, nachlässig gekleidete Frau näherte sich mit einem leeren Pappbecher. Sie wackelte durch die Reihen, erntete aber bloß Ignoranz. Eine andere aß aus einer Plastiktüte und sah dabei aus dem Fenster. Eine versteckt sitzende Frau lachte wie eine Hyäne. Draußen lungerten Jugendliche an der nächsten Haltestelle herum und sahen kaum von ihren Telefonen auf.
Der Bus hielt, ein paar Frauen stiegen aus, die Jugendlichen ein. Merkwürdigerweise wurde es nicht lauter, sondern stiller im Bus. Für einen kurzen Moment war ein brabbelndes Baby auf einem Mutterarm in den hinteren Reihen die einzige Lautquelle. Dann ging ein anderes Telefon los. Rockmusik. Eine kleine dunkelhaarige Frau nahm das Gespräch an: „Was? Nein, ich bin zur Firma unterwegs.“ Pause. „Firma! Nicht Thomas! Firma! Arbeit! So jobmäßig! Ich bin zur Firma unterwegs!“ Schmunzeln ringsum. Die Frau sprach in ein Kabel. Hielt die Schnüre leicht von sich weg, führte sie zum Mund und sprach in sie hinein. Ich fragte mich, ob es Thomas überhaupt gab. Oder ob er nur in unseren Köpfen existierte, und besonders in dem des Anrufers.
René Hamann
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