berliner szenen: Los, steigen Se ein!
Meine Freundin Frieda ist ein guter Mensch. Wenn sie mich besuchen kommt, bringt sie Kuchen und Geschenke für mich und das Kind mit und Schokolade für Paul, früher auch Wein. Aber seit wir Kinder haben, vertragen wir nüscht mehr.
Mittlerweile gehen die Kinder in die Kita. Meines hat in kurzer Folge hintereinander die Worte „Nein!“, „heiß“, „Nase“ gelernt und seit Neuestem „Aua“.
„Ob die Kinder sich da in der Kita den ganzen Tag gegenseitig mit der Nase auf die heiße Herdplatte stuken?“, frage ich Frieda. Sie zuckt mit den Achseln.
Neulich hat Frieda ihr Kind mal mit dem Auto zur Kita gebracht. Es war kalt, es regnete, was weiß ich. Sie hätte auch mit dem Bus fahren können, aber der kommt so selten. Sagt Frieda. Vermutlich war sie einfach zu faul. Jedenfalls muss sie auf dem Rückweg, nach erfolgreicher Kinderabgabe, an einer Bushaltestelle mit dem Auto kurz warten, als der Bus Passagiere aus- und einsteigen lässt. Eine ältere Dame kommt angelaufen. Sie will den Bus noch kriegen. Doch der Fahrer guckt in den Rückspiegel – und knallt ihr die Tür vor der Nase zu. Der Klassiker.
Der Bus fährt los, und meine Freundin Frieda, die Heldin, die das alles gesehen hat, fährt kurzentschlossen rechts ran, langt über den Beifahrersitz, stößt die Beifahrerfür auf und ruft der verdutzten Dame zu: „Los, steigen Se ein! Den kriegen wa noch!“ Die Dame tut, wie ihr geheißen, und dann braust meine Frieda mit der verdatterten Dame im Auto die Straße entlang, überholt den fiesen Busfahrer und lässt sie an der nächsten Bushaltstelle wieder aussteigen.
„Wird ja auch Zeit, dass Sie kommen“, könnte die Dame dann zum Busfahrer gesagt haben, „ick warte hier schon eine halbe Ewigkeit.“
Lea Streisand
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