berliner szenen: Straßen von Bratwa kontrolliert
Letztes Wochenende habe ich einen Taxifahrer sehr glücklich gemacht. Ich hatte drei Lesungen an einem Tag. Und er durfte mich zu zweien fahren. Zuerst von Pankow nach Tempelhof und dann von Tempelhof bis nach Schildow. Das ist schon Brandenburg. Wir standen gerade auf dem Tempelhofer Damm im Stau, als er mir erzählte, er komme „aus ähemalige Sowjetunion“.
„Ich brauch nachher eine Quittung. Fürs Finanzamt“, sagte ich. „Ach, Finanzamt“, rief er. „Sind alles Verbrecher! Mit denen kann man nicht chandeln. Buchen einfach von Konto ab, bist du pleite. Wissen Sie, ich komme aus ähemalige Sowjetunion. Chabe ich Lastwagen gefahren. Große Lastwagen durch ganze Land. Waren Straßen von Bratwa kontrolliert. Mafia, verstehen Sie?“ Ich verstand durchaus.
„Haben die gesagt, Straße fahren kostet 200 Euro, konntest du sagen chundert, war chundert okay. Mit Finanzamt geht nicht.“ Er lacht. Ich muss auch lachen. „Na ja“, sage ich, „da ist mir die deutsche Bürokratie aber schon lieber als Korruption. Auf die kann man sich wenigstens verlassen.“
„Auf Bratwa kannst du auch verlassen“, erwidert der Taxifahrer. „Wenn ich geparkt chabe auf Parkplatz von Mafia, konntest du stehen lassen Lastwagen mit Goldbarren darin und Schlüssel im Schloss, ist njichts passiert. Chat keiner geklaut.“ Weil ich unsere Unterhaltung ganz lustig finde, frage ich ihn, ob er mich auch zum nächsten Gig fahren will. Er bekommt kleine Eurozeichen in den Augen und holt mich eine Stunde später wieder ab. Leider hat er da schon verstanden, was ich mache, und fängt an, mir „Geschichten“ zu erzählen, die er wahnsinnig komisch findet. Bis ich den merkwürdigen Satz sagen muss: „Ich möchte jetzt bitte keine Kackewitze mehr hören!“ Zur dritten Lesung bin ich mit einem anderen gefahren. Lea Streisand
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen