berliner szenen: Nachbar hat Sperrmüll zu verschenken
Ein Wandregel, eine Stehlampe, eine Hängelampe, ein Couchtisch, zwei Lehnstühle, ein Drehstuhl, eine Schreibtischkommode, ein Flachbildfernseher und ein Multifunktionsdrucker stehen in einer Reihe hintereinander an dem kleinen Mäuerchen vor unserer Haustür. Und ein Sofa. Als würden sie dort auf irgendwas warten. Dass jemand sie mitnimmt. Die Polsterung von dem Drehstuhl ist mittlerweile vom Regen aufgequollen. In dem Lampenschirm fehlen einige Buntglasscheiben und der Fernseher ist gesplittert. Ein handgeschriebener Zettel ist mit Tesafilm an die Rückwand des Regals geklebt. „Alles zu verschenken!“
Ich stehe fassungslos davor. Paul kichert neben mir. „Da ist unser Nachbar wohl mit leichtem Gepäck abgereist.“ Das Kind versucht, auf die versiffte Couch zu klettern. Ich hab den noch gehört. Neulich Abend, als ich das Kind ins Bett brachte, hab ich den Nachbarn noch gehört, wie er mit kreischendem Quietschen das Paketband von der Rolle abzwirbelte, was jetzt so tape-art-mäßig um die kaputte Schreibtischkommode drumrumgefriemelt ist. Und am nächsten Tag haben wir den Nachbarn mit nichts weiter als einem winzigen Köfferchen in einen geliehenen Kastenwagen steigen sehen, da kamen wir grad aus dem Garten. „Der wird doch jetzt nich abhauen“, meinte ich noch. Da stand der ganze Sperrmüll schon auf der Straße. „Nein“, sagte Paul, „Der holt das noch.“ Mittlerweile hat sich der Schrott über die gesamte Länge unserer Straße verteilt. Mitgenommen hat niemand was.
Ich mag Geschenke gerne. Die altruistische Gabe ohne Gegenleistung, die dem anderen sagen soll: guck, ich habe an dich gedacht und eine Schleife drumgebunden. Ein Geschenk ist eine manifestierte Geste. Im Fall von Sperrmüll auf der Straße ein riesengroßer Stinkefinger. Lea Streisand
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