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berliner szenenLinsensuppe mit Berlinern

Ich esse Linsensuppe beim Kacheldöner am Kotti. So heißt das türkische Restaurant nicht wirklich, aber ich habe irgendwann begonnen, es für mich so zu nennen, womöglich wegen der bunten Fliesen im Inneren. Hebt man den Blick vom Suppenteller und schaut aus dem Fenster zum Kotti, eröffnet sich ein Spektakel voller kleiner Auftritte.

Es beginnt mit einer Gruppe von fünf Jungs. Einer schiebt ein Fahrrad, in dessen Gepäckträger eine Mikrowelle klemmt, ein anderer hat sich ein Nackenkissen umgelegt, als ob er jeden Moment abheben würde (wobei ich selbst im Flugzeug noch nie so ein Ding benutzt habe). Ein Mann streicht sich sanft über seine korpulente Wampe, während ein anderer Mann, hager und hungrig wirkend, mit einem Pappbecher in der Hand um Geld bettelt. Ein Mädchen mit Kopftuch fährt auf einem E-Scooter, vorbei an einem neuen silbernen Mercedes, der direkt neben der Holzhütte von „Kotti & Co“ parkt, trotz Halteverbots. Eine junge schwangere Frau tippt beim Gehen in ihr Smartphone, während eine andere Frau in einem Babykorb einen Blumenstrauß transportiert. Ein Hipster-Pärchen befolgt die Kleiderordnung: Je bunter, desto besser. Zwei Männer trinken Sterni im Stehen. Daneben liegt ein Rucksack, aus dem slawisch anmutende Musik ertönt. Eine ältere Touristengruppe schaut etwas befremdet, wenn nicht angewidert drein. Ein Typ mit einem grünen Iro trägt ein Shirt mit einer schreienden Katze, die gerade durchs Weltall fliegt. Von den Schultern einer Frau hängt ein Jutebeutel, auf dem, weiß auf schwarz, steht: „And Berlin will always need you.“

Ja, genau das ist es: Ohne diese Leute wäre Berlin nicht das Berlin, das es ist. Und ohne diese Leute wäre der Kotti ein charmebefreiter grauer Fleck, den ich niemals betreten würde, nur um eine Linsensuppe zu essen.

Eva Müller-Foell

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