berliner szenen: Promotion in Erklärbroten
Wenigstens das: Es ist schön kühl in dem riesigen Bio-Supermarkt an der Danziger Straße. Nur zwei, drei mittelalte Frauen streifen durch die Flure des Feinfress-Hangars, fast nichts in ihren Einkaufswägen. Ich greife mir den Ahornsirup und einen Saft, der so teuer ist, dass sie mit dieser Summe in Zentralafrika wohl über einen ganzen Monat kämen. An der verwaisten Kasse bin ich der Einzige, die Kassiererin erscheint nach einer halben Ewigkeit. Sie hält es nicht einmal für nötig, mir einen „Guten Tag“ zu wünschen, wie es ihre Kolleginnen bei Rewe oder Edeka immer tun.
Ich gehe rüber zum Brotstand, einen Roggenziegel kaufen. Eine etwa 35-jährige Frau lässt sich gerade das Sortiment an Gesund-Broten erklären. Dinkel-Dunkel, Dinkel-Hell, Roggen-Vollkorn, Knusperkruste, es gibt ja so verdammt viele Brote. Sie lässt sich von der recht jungen Verkäuferin erläutern, wie viel Prozent von diesem und jenem in den Dingern drin ist. Sesam, Körner, Sonnenblumenkerne. Nach zwei Erklärbroten frage ich mich, ob ich mich in einem Sketch über Bobo-Prenzlberger befinde. Wird hier heimlich gedreht? Oder gibt es diese Exemplare, über die man sich im dörflichen Deutschland so gern lustig macht, wirklich? Erkenntnis: Es gibt sie wirklich. Die Schlange hinter mir wird länger.
„Möchten Sie das Brot geschnitten?“, fragt die Verkäuferin die zur Brotexpertin promovierte Kundin. Die Frage scheint sie zu überfordern, aber dann doch: „geschnitten“. Ich sekkiere die arme Angestellte mit dem schneidenden Befehl: „Ein Roggenbrot!“ Sie fragt: „Geschnitten?“ – „Nein, nicht geschnitten, einfach nur ein ganz normales ganzes Brot“, sage ich entnervt. „Wissense, dit kann ick ja nich ahnen“, berlinert mich die Verkäuferin an. Irgendwie kleinteilig verlasse ich den Laden.
Markus Völker
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