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berliner szenenVor dem Kiffen bitte melden

Als ich in einem Späti in Schöneberg gerade eine Limo bezahlen möchte, fängt das Telefon hinter dem Tresen penetrant laut zu klingeln an. Die Verkäuferin nimmt ab und zeigt mir mimisch, dass ich mich kurz gedulden soll. Mein Blick wandert während des Wartens zu den Kaugummis. Verschiedene bunte Verpackungen strahlen mich an. Orange, gelb, blau, lila, rot. Ich greife zu einer roten Packung. Immer die gleiche Falle, in die ich mich locken lasse, denke ich dabei und lege die Kaugummis neben die Limo auf den Tresen.

„Kannst du bitte daheim anrufen, ich bin gerade im Laden“, sagt die Verkäuferin kurze Zeit später in den Hörer und legt auf. Sie verdreht lächelnd die Augen und meint zu mir: „Immer diese Kiffer.“ Häh?, frage ich mich, vertickt die Frau hier im Späti Gras? Ich dachte, darüber hätte nur mal Kreuzberg rund um den Görli nachgedacht, um das illegale Drogengeschäft im Park besser und auf legalem Weg kontrollieren zu können. Auf meinen fragenden Blick antwortet die Verkäuferin, dass neben ihr schon seit Jahren ein Mann wohnen würde, der regelmäßig auf dem Balkon kiffen würde. Das sei ja nicht ihr Problem, sondern seins, würde nicht der Rauch in ihre Wohnung ziehen. Und sie habe Kinder, denen der Rauch bestimmt nicht guttun würde. „Nicht, dass sie noch zu passiven Kiffern werden“, meint die Frau ganz unironisch.

„Und was wollte jetzt Ihr Nachbar am Telefon?“, fragte ich sie daraufhin amüsiert. „Ich habe mit ihm vereinbart, dass er immer bei mir anrufen muss, wenn er auf dem Balkon kiffen möchte, damit ich vorher die Fenster schließen kann. Ansonsten melde ich das an die Hausverwaltung, habe ich ihm gesagt.“ Ich bezahle meinen Einkauf und verlasse etwas perplex den Laden. In Schöneberg spricht man sich noch zum Kiffen ab. Faszinierend.

Eva Müller-Foell

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