berliner szenen: Möchte nichts gewinnen
Bevor es weitergeht, spiele ich noch ein wenig Candycrush. Die Parole des Tages lautet: „Schon gewusst: Lutscherhämmer versperren dir den Weg, auf dem du unterwegs bist.“ Da ruft ein Mann an und sagt, ich hätte gewonnen. Oje, auch das noch! Gestern hatte ich im Internet um ein modernes Smartphone (glaube ich) gespielt. Ich hatte irgendwelche Sachen angeklickt, aber den letzten Schritt nicht gemacht. Er sagt, doch. Sonst hätte ich Ihre Nummer ja nicht. Außerdem soll ich noch an einem anderen Spiel teilnehmen, das noch besser ist. Ich kann ihn nicht richtig verstehen und sage Nein, möchte nichts gewinnen und habe gerade auch viel zu tun (Candycrush und Schach) und als mir die Argumente ausgehen, gibt er klein bei.
Dann denke ich, vielleicht habe ich ja tatsächlich etwas gewonnen und dass es schön wäre, ein modernes Smartphone zu besitzen. Außerdem hört man ja manchmal von Konzernen, die Lagerbestände verschenken. Ich will mich jetzt aber aus Stolz nicht mehr nach meinem Preis erkundigen. Dann ist das Gespräch zu Ende.
Zwei Tage später ruft eine andere Frau an. Herzlichen Glückwunsch. Die Ziehung unter notarieller Aufsicht stehe bevor. Sie haben auf jeden Fall schon gewonnen. Sie nennt die ersten fünf Preise, Autos, Kreuzfahrten, keine Ahnung, und fragt bei jedem, ob ich den Sachpreis oder Bargeld haben möchte. Bargeld! Um meinen schönen Preis zu erhalten, soll ich diesmal irgendeine Zeitschrift abonnieren. Ich sage, das will ich nicht. Außerdem bin ich Journalist und wohne neben der AGB und kriege alle Zeitungen umsonst. Anstatt schockiert zu sein, erklärt sie alles noch einmal. Ich versteh nichts. Aber Sie haben doch die AGB angekreuzt. Muss ich jetzt ins Gefängnis? Endlich ist das Gespräch zu Ende. Einkaufsgutscheine von Netto wären eigentlich auch okay.
Detlef Kuhlbrodt
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