berliner szenen: Mir ist jetzt immer warm im Winter
Also, ich find ja, es ist jetzt Frühling. Gleich zwei Gründe hab ich dafür, abgesehen vom Wetter: Erstens hab ich Putzdrang, und zweitens ist mir nicht kalt. Das mit dem Putzdrang kann ich nicht erklären, aber das mit dem Kaltsein dann doch. In der S-Bahn hab ich da was geschnallt, und deswegen bin ich dafür, das Nahverkehrsnetz auszubauen, allen zugänglich zu machen – weil in der S- und U-Bahn und so hab ich schon so einiges gelernt, was ich vorher nicht wusste. Das mit dem Kaltsein zum Beispiel.
„Früher“, hatte der im Sitz hinter meinem gesagt, „war mir immer kalt im Winter.“ Eine Antwort hörte ich nicht. Vielleicht sprach er ins Handy, oder sein Gegenüber hatte auch nur genickt. Weil: Logisch war’s kalt im Winter. „Muss aber nicht sein! Einem kann auch warm sein im Winter!“ Fast schon schrie der hinter mir, so begeistert war er. „Jetzt, mit der neuen Jacke, frier ich nicht mehr!“ Er lachte. „Und dabei dachte ich immer, das muss so sein im Winter, dass man friert.“
Ich stutzte. War das hier ’ne Werbe-S-Bahn? Lautsprecherdurchsage, die wie Handygespräch klang, und gleich kam ein Jingle und dann der Name des Ladens, wo man so warmeJacken bekommt? Aber hinter mir saß tatsächlich einer und telefonierte; keine Werbe-S-Bahn. „Mir ist jetzt warm! Immer! Im Winter!“
Okay, okay, dachte ich. Hab’s kapiert. Ich mach irgendwas falsch. Und ich machte auch wirklich was falsch: Meine Jacke war dünn, und darunter hatte ich grad mal zwei Schichten. Und dann probierte ich es aus: drei Schichten, vier, fünf. Wärmere Jacke. Und wirklich: Seitdem frier ich nicht mehr!
Und deshalb fühl ich mich voll wie Frühling. Und vielleicht erklärt genau das, warum ich so putze: Da putzt man eben wie wild. Oder vielleicht hab ich da auch was in der S-Bahn gehört, unterbewusst oder so. Wer weiß.Joey Juschka
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