berliner szenen: Busfahrer-rhetorik
Im Schuhcenter an der Quitzowstraße sind die LED-Sohlen-Skechers jetzt preisreduziert. Die Schuhe leuchten giftgrün bis rosarot. Man muss nur an der „Schuhzunge mit An/Aus-Schaltknopf“ ziehen. USB-Kabel gibt es bei Kauf von was anderem gratis dazu. Das alles kann man in Ruhe lesen, denn der M27 schleicht nur noch. Vor der Perleberger Brücke kapituliert er endgültig.
„Leute, wir sind jetzt definitiv zu viele. Ein paar von euch müssen raus. Und mein Kollege kommt ja in zehn Minuten. Die frische Luft tut auch richtig gut!“ Keiner rührt sich. Alle schauen verstört zum Busfahrer. Der macht einfach alle Türen auf.
„Leute, ich fahr nicht weiter, bevor nicht mindestens zehn von euch draußen sind. Vielleicht fangen wir mal mit den Radfahrern an, die sich wohl zu fein sind, bei zwei Grad Plus und dem bisschen Schneeregen auf der Straße zu fahren. Nur bei schönem Wetter das Carbonrad schaukeln, bei ein paar Tropfen Regen aber mit Mama Bus fahren, dit is nun wirklich nicht die feine Art.“ Einige schauen jetzt empört, andere grinsen. Aber keiner steigt aus.
„Mit euch allen zusammen bin ich außerdem’ne richtige Virenschleuder. Wenn ich mir so anhöre, was hier gehustet wird; das klingt gar nicht gut. Und da geht es gar nicht mal darum, nicht zur Arbeit zu dürfen. Da geht denn auch zu Hause nichts mehr. Ich würd mich an eurer Stelle nicht so anstecken lassen.“ Jetzt fragende Gesichter. Erschrecken ist auch dabei. „Na denn is’ auch im Bett tote Hose. Nichts los im Moos und Strafkolonie Wohnzimmersofa.“
Das Erschrecken wird zum Entsetzen. „Ja, fragt mich nur, was passiert, wenn der Bus zu voll ist!“
Die Ersten gehen. Der Nachfolgerbus ist auch da. Der Busfahrer grinst. „Man muss nur die richtigen Argumente haben. Gute Rhetorik ist wichtig für gutes Busfahren!“ Theresa Heinewald
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