berliner szenen: Mann, Frau, Hund
Es ist einer dieser Tage, an denen ich für die kleinen Beobachtungen des Lebens viel zu spät dran bin. Ich haste an den Osram-Höfen in Wedding vorbei in Richtung U-Bahn, sehe flüchtig, wie eine Frau mit orangefarbenem Haar und dunkler Sonnenbrille einen weißen Hund an der Leine hält. Sie steht mit ihm auf dem Bordstein. Aber sie wartet nicht auf den Hund, sondern auf ihren Mann, der zum Urinieren Richtung Hauswand blickt.
Während der Hund hechelt und der Mann pinkelt, unterhalten sich Frau und Mann über Wein. Ich laufe nun doch langsamer, das Gespräch will ich mithören. Es geht um Weißwein und die Lieblingssorte der Schwester. Während der Mann der Frau davon erzählt, dreht er seinen Kopf in ihre Richtung, der Strahl bricht dabei nicht ab. Die Frau nickt, schaut konzentriert, als könnte sie dem Gespräch nur mit Mühe folgen.
Hätte ich bloß nicht hingesehen, denke ich. Immer dann, wenn man eigentlich schneller laufen sollte – nicht nur wegen des Zeitdrucks, sondern auch, weil man manche Dinge einfach nicht sehen wollen soll –, läuft man eben doch langsam, um genau diese nicht zu verpassen. Dieselbe Konversation hätte ich auch neben einem Weinlokal aufschnappen können, aber da wäre sie nur halb so spannend gewesen.
Ich drehe mich noch mal um. Inzwischen hat der Mann an der Hauswand alles erledigt und geht mit Frau und Hund des Weges, aufrecht laufend, den Rücken durchgedrückt. Während sie die Straße überkreuzen, stelle ich mir vor, wie sie bei der nächsten Straßenecke wieder Halt machen, der Hund dann anstelle des Mannes an der Hauswand steht und die Konversation über den Weißwein unterdessen einfach weitergeht, so als wäre überhaupt nichts gewesen. Ich springe in die U-Bahn, die gerade kommt, und fahre davon. Lea Diehl
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