berliner szenen: Sie würden gerne tanzen
Es war einer dieser matten Sommerabende in Berlin. Wir hatten in der Hasenheide gesessen, im anscheinend einzigen Freiluftraucherkino der Welt, jedenfalls rauchten alle gleich doppelt so viel wie normal, und haben über den sehenswerten Film „I, Tonya“ gelacht. Danach waren wir über den sommerlich verwaisten Hermannplatz geschlendert und sind schließlich in der Eckkneipe im Kiez gestrandet, die Gäste im Flüsterton auch nach Mitternacht noch draußen toleriert. Wir redeten über Eiskunstlauf, über den Schlamassel der Herkunft, der du nicht entkommen kannst, als irgendwann zwei junge Männer mit einer Flasche Cachaça auf uns zu torkelten. Erster Impuls: Könnte Ärger geben. Tatsächlich wurde es dann ganz lustig.
Sie setzten sich an den Nebentisch, bestellten beim gutmütigen Wirt zwei Bier, während sie den Cachaça unter dem Tisch versteckten. Irgendwann sprachen sie uns an: Wo man noch was zu essen kriegen würde? Wo es eine Bar gebe, in der getanzt wird? Nur war leider Montagabend und nach eins. Essen also: Mit Glück hat noch eines der syrischen Restaurants entlang der Küstenstraße (scherzhaft für: Sonnenallee) offen. Tanzen? Ja, da gibt es die eine Bar, einfach die Weser runter, Name keine Ahnung. Die Jungs, Anfang zwanzig, strahlten uns an: Sänk you! Sie wären aus Brasilien, letzter Tag, morgen geht es zurück! Es sei so fantastisch in Berlin! Und sie würden jetzt gern tanzen gehen! Der eine fragte, ob wir diesen Song kennen? Er hob an: „Caught in a trap … I can’t walk out … Because I love you too much, baby!“ Wir grinsten. Ja, kennen wir. Wer denn nicht?
Zwei weitere Bier später verschwanden sie in den Tiefen der Weserstraße. Nicht ohne noch den Wirt zu herzen, der ihnen mit den von ihnen vergessenen Zigaretten nachlief: „We love you!
René Hamann
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