piwik no script img

berliner szenenSo eine hatten wir früher auch

Nicht anfassen! Ick tatsch dein Zeug doch ooch nich an“, schnauzt ein weißhaariger, älterer Mann mit Schnurrbart. Er sitzt zurückgelehnt in seinem weißen Campingstuhl hinter einem großen Tapeziertisch. Das amerikanische Pärchen zuckt bei der barschen Ansprache zusammen. Erschrocken schauen sie von dem antiken Bilderrahmen hoch, den sie gerade in den Händen halten. „Janz jenau. Hinlegen! Jetze!“, blafft der Verkäufer. Schnell legt der Mann den Rahmen hin und fasst seine Frau am Arm. Sie gehen weiter.

Der Antikmarkt am Ostbahnhof ist an diesem Sonntagvormittag gut besucht. Bei Sonnenschein laufen die Menschen an den Ständen vorbei. Das Wort „original“ springt ihnen dabei von allen Seiten entgegen. Original DDR-Briefe und Briefmarken, original Berliner Currywurst, original DDR-Plaste. In Form von Osterhasen, Pfeifen, Seepferdchen und Vampirzähnen. Die kleinen Kisten mit buntem Spielzeug werden umrahmt von DDR-Autokennzeichen und Schildern mit der Aufschrift „Achtung! Staatsgrenze. Passieren verboten.“

Touristen machen Fotos, kaufen Postkarten und posieren mit alten Volkspolizeimützen.

„Schau mal, so eine hatten wir früher auch. Weißt du noch?“ Zwei ältere Frauen stehen eingehakt vor einem Stand mit Krügen, Buttergefäßen und Vasen. Sie halten gebührenden Abstand zum Tisch und beugen sich nur etwas mit den Oberkörpern vor. „Für’n Zwanni haste wieder eene“, sagt der Verkäufer und streckt den Frauen eine kleine braune Kaffeemühle mit Drehkurbel entgegen. Verlegen lachen die beiden und schütteln den Kopf: „Nein, nein. Wir schauen nur mal. Brauchen tun wir die nicht“, sagt die mit der grünen Strickjacke. „Heute nicht mehr“, ergänzt die zweite Frau und schaut, als würde sie trotzdem gerne danach greifen. Linda Gerner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen