berliner szenen: Am Ende doch ganz allein
Nach der Eingangsniederlage gegen Mexiko war er noch so glücklich gewesen und hatte stolz erzählt, dass er viel Geld mit seinem Tipp gegen Deutschland gewonnen hätte. Nach dem Sieg der Unsrigen gegen Schweden war er richtig geknickt.
Wir kennen uns seit Jahren und haben ein ambivalentes Verhältnis. Er nennt mich oft „toter Vogel“ und ich kritisiere, was er macht. Ich hatte ihm vor dem Schwedenspiel geraten, nicht gegen Deutschland zu wetten, und sagte nun besserwisserisch, du hast ja nicht auf mich hören wollen.
Eine Weile sprachen wir noch über Fußball. Ich erzählte von dem Public Viewing im Garten der Kirche am Blücherplatz, wo ich vor vier und acht Jahren manchmal geguckt hatte, und fragte, ob er schon mal dort gewesen sei. Er sagte, er gucke lieber allein, und es klang ein bisschen kleinlaut.
Ein paar Tage nachdem die deutsche Mannschaft das Zeitliche gesegnet hatte, sah ich ihn wieder. Nun war er wieder obenauf. Auch das Koreaspiel hatte er richtig getippt. Bislang war die WM für ihn ein schöner Erfolg. 1.600 Euro habe er beim Wetten gewonnen und er wolle jetzt natürlich nicht aussteigen. Er würde immer in einem dieser Wettbüros wetten, in die ich mich nie reintrauen würde, obwohl ich ihre Einführung eigentlich begrüßt hatte.
Eine Weile stritten wir noch – er hätte die Kolumbianer so gerne vom Platz gestellt, und ich war für die Kolumbianer gewesen –, dann trennten sich unsere Wege. Auf dem Rückweg dachte ich, dass eine Fußballweltmeisterschaft ja eigentlich immer eine traurige Geschichte ist, bei der die meisten nur verlieren und ausgeschieden werden. Erwartungsfroh brechen 32 Mannschaften auf. Am Ende bleibt nur eine Mannschaft ganz allein übrig, und die meisten Wettenden verlieren ja auch.
Detlef Kuhlbrodt
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