berliner szenen: Als Beifang einen schönen Gruß
In der großen Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, war ich dazu angehalten, alle Leute zu grüßen, die in meiner Straße wohnten. Es war ein übersichtlicher Kreis, und wenn man sich auf dem Gehsteig begegnete, dann rang man sich halt ein Hallo ab. In Berlin wäre es absurd, alle Anwohner in dieser meiner Straße zu grüßen. Es wären zu viele, und man kennt sich meist eh nicht. In Berlin läuft man aneinander vorbei. Das ist völlig in Ordnung. Es ist ja gerade das Schöne an dieser Stadt, dass man sich um einige lästige Konventionen herumdrücken kann.
Aber das gilt nicht für jeden Berliner.
Manchmal laufe ich einfach so durch die Stadt; zum Flanieren reicht’s leider nicht, dazu fehlt mir die Lässigkeit. Ich gehe also, und nicht selten komme ich, nachdem ich Berlins schönste Fußgängerbrücke, den Schwedter Steg, hinter mir gelassen habe, am BSR Recyclinghof in der Behmstraße vorbei. Egal wie das Wetter ist, ob’s nieselt oder ein kalter Wind weht, etwa 100 Meter vorm Wegwerfhof steht ein Mann, manchmal sind es auch zwei oder drei. Sie sind etwa 60 Jahre alt und tragen Klamotten, die wohl auch schon mal recycelt worden sind.
Sie grüßen mich jedes Mal ausgesucht freundlich und so, als ob sie mich schon lange kennen würden. Die Herren, die meiner Vermutung nach vom Balkan stammen, heben die Hand, wünschen „Einen schönen Tag“ und stellen dabei eine Nähe her, die mir am Anfang nicht ganz geheuer war. Sie grüßen im Übrigen jeden, der vorbeikommt, sogar Autofahrer. Das gehört zu ihrem Geschäftsmodell. Der Trupp hat sich in einer kleinen Mauerflucht eingerichtet, um BSR-Beifang beizuholen.
Sie sammeln von Spendern ein, was noch halbwegs niet- und nagelfest ist: Kühlschränke, Fernseher, Mikrowellen, solches Zeug. Daran schrauben sie dann und leben vom Verkauf. Dass sie mich trotzdem so herzlich grüßen, obwohl ich immer mit leeren Händen komme – wie schön. Markus Völker
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