berliner szenen: Noch viel arroganter als die Berliner
Gestern Morgen kam ich noch halb verschlafen vom Zeitungs- und Brötchenholen an meiner Haustür an, als mich ein Mann mit französischem Akzent ansprach. „Entschuldigen Sie, könnte ich kurz Ihr Handy borgen? Ich muss jemanden anrufen, der hier wohnt und mir nicht aufmacht.“
Ich zögerte kurz, holte dann aber mein Handy aus der Tasche und gab es ihm.
„Oh, das ist sehr freundlich von Ihnen. So etwas ist nicht mehr selbstverständlich“, sagte er und hob seinen Hut. „Das ist traurig eigentlich“, entgegnete ich nachdenklich. Der Mann mit Mantel und Hut tippte eine Nummer in mein Handy und sagte dann wieder: „Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen. Ich habe schon ein paar Passanten gefragt, aber sie sind alle wortlos weitergelaufen.“ Dann nahm jemand ab. „Bonjour, hier ist Stéphane. Ich stehe unten an der Tür. Machst du mir bitte auf?“
Er bedankte sich wieder und gab mir mein Handy zurück. Ich schloss die Haustür auf und gemeinsam liefen wir die Treppe hinauf. Er erzählte mir, dass er aus Paris komme. Aber dass dort die Leute fast noch abweisender wären als hier. Zumindest, wenn man sie auf der Straße anspricht.
„Die Pariser sind noch viel arroganter als die Berliner“, meinte er mit ernster Miene. Ich erzählte ihm dann, dass ich auch mal für drei Monate in Paris gewohnt habe. Aber dass ich eher das Gefühl hatte, dass die Pariser höflicher sind als die Berliner. Der Mann, der sich am Telefon mit Stéphane gemeldet hatte, blieb plötzlich stehen. „Nein, glauben Sie. Sie passen besser nach Berlin als nach Paris.“
Ich lächelte und schloss meine Wohnungstür auf. Ich dachte über seinen letzten Satz nach. Hoffentlich hatte er das auf die Hilfsbereitschaft bezogen und nicht – ich schaute an mir und meiner Jogginghose herunter – auf meine Klamotten. Die waren alles andere als parisienne. Eva Müller-Foell
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