berliner szenen: Hotel statt Taxi oder U-Bahn
Ich bin so müde, dass ich keine Energie mehr habe, um nach Hause zurückzufahren. Lieber finde ich ein Hotelzimmer, denke ich, und die Idee, ein Hotel in Berlin zu suchen, gefällt mir. Ich hatte eine Veranstaltung am Senefelder Platz. Davor war ich in der Potsdamer Straße. Jetzt muss ich zur Boddinstraße, aber am nächsten Tag arbeite ich in der Nähe des Senefelder Platzes.
Da die Veranstaltung spät zu Ende geht und ich früh wieder am gleichen Ort sein muss, will ich nicht mehr die Reise nach Neukölln machen. Ich versuche, eine Freundin zu erreichen, die in Wedding wohnt, aber sie geht natürlich nicht dran. In meiner alten WG in der Christinenstraße traue ich mich nicht zu fragen, denn jedes Jahr, wenn sie Hausfest feiern, ist bei mir etwas anderes, und ich glaube, dass meine alten MitbewohnerInnen mir deshalb böse sind.
Wie spießig, in einem Hotel zu schlafen. Aber ich bin müde, todmüde. Ich arbeite manchmal sieben Tage die Woche, manchmal nur sechs. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, jetzt in die U-Bahn einzusteigen, auch nicht mit einem Taxi quer durch die Stadt zu fahren.
In der Schwedter Straße ist alles voll. Im Hostel am Rosenthaler Platz werde ich informiert: Es gebe eine Game-Konvention in Berlin, deshalb sei alles ausgebucht. Und doch schreibt mir der Rezeptionist eine Liste von Unterkünften, wo ich noch eine Chance hätte. Ich ziehe los, als hätte ich eine Mission, ohne nachzudenken, dass es längst nach Mitternacht ist und ich schon im Bett sein könnte. Mir tun schon meine Füße weh, als ich einen letzten Versuch mache. Ja, sie hätten ein Einzelzimmer mit Frühstück für 260 Euro. Vielleicht weil ich laut lachen muss, sagt der Mann, er könne es mir für 210 Euro überlassen. In der U8 schlafe ich ein, während ein Straßenmusiker „Despacito“ auf der Gitarre spielt. Luciana Ferrando
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