berliner szenen: Lesben gegen Haneke
Das ist für frustrierte Sozialarbeiterinnen über 50“, sagt mir ein Freund am Telefon, als ich gestehe, dass ich lieber den Dokumentarfilm über die mexikanische Sängerin Chavela Vargas als den neuen Film vom Regisseur Michael Haneke sehen würde. Seinen Kommentar finde ich gemein, und ich sage es ihm. Dennoch muss ich bei der Vorstellung lachen, er würde als Filmkritiker arbeiten.
„Du kannst nicht irgendeinen Dokumentarfilm für ältere Lesben mit Haneke vergleichen“, geht er weiter. „Ich vergleiche nicht. Ich habe keine Lust auf einen Film, der mich nur daran erinnert, wie schlimm die Menschen sind“, sage ich. Außerdem, das sei nicht „irgendein Dokumentarfilm“, sondern er lief auf der Berlinale, erkläre ich und frage, seit wann er ein Problem mit alten Lesben habe.
Er lacht und fragt mich, warum ich gegen Haneke sei und ob ich plötzlich lieber nur Walt Disney Filme gucken möchte, weil die Welt so ist, wie sie ist: „Als wäre es was Neues!“ Ich will nichts mehr hören und verspreche ihm noch mal zu überlegen und mich zu melden. Ich lege auf und gucke mir den Trailer und mehrere Filmclips im Internet an. Mittlerweile ist es zu spät für den Dokumentarfilm geworden und ich schlage dem Freund vor, einen Kompromiss zu machen.
Wir treffen uns vor dem Kino in der Hermannstraße und kaufen Tickets für die 19-Uhr-Vorführung. „Wenn ich deprimiert bin, gehen wir nach dem Film sofort wieder rein und gucken uns etwas anders an. Wegen mir auch einen Disney-Film, falls einer läuft“. Er sagt „Ok“.
Als „Happy End“ zu Ende ist, vergessen wir unsere Abmachung, laufen schweigend die Straße runter und trinken Bier draußen in einer Kneipe. Es fängt an zu regnen. Wir reden über das Wetter: Wie schade, dass die sonnigen Tage vorbei sind. Aber jetzt könnte man wieder öfter ins Kino gehen.
Luciana Ferrando
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