berliner szenen: Feldenkrais Korb sitzt auf Säule
Meine Feldenkrais-Lehrerin ist toll. Erst letzte Woche beim Kurs hab ich gesagt: „Immer, wenn du von ‚Brustwirbelsäule‘ sprichst, denk ich, ich hab zwei Wirbelsäulen: die normale und dann noch eine irgendwo in der Brust. Und ‚Halswirbelsäule‘: zack, hab ich drei Säulen im Körper, und wenn du dann noch mit ‚Lendenwirbelsäule‘ anfängst …“
„Interessant“, hat sie gesagt. Das sagt sie oft, wenn uns was auffällt, das eigentlich’ne ziemlich blöde Vorstellung von uns selbst ist, unserem Körper,’nem Körper mit vier Wirbelsäulen, zum Beispiel. Und klar weiß ich, dass ich nicht wirklich vier davon hab, aber eben immer, wenn sie das sagt, reinspüren bitte in Brust-, Hals-, Lendenwirbelsäule. Schlimm ist das, dass ich so kleb an den Wörtern!
Aber deswegen eben ist meine Feldenkrais-Lehrerin toll: Sie lässt mich nicht kleben.
„Spürt mal rein“, sagt sie jetzt, eine Woche später, wieder Kurs, „in eure Wirbelsäule.“ Aha, denk ich. Es wird spannend: in welche der vier?
„Und zwar“, sie lächelt mich an, „in den Lendenbereich eurer Wirbelsäule. Dann in den Brustbereich und in den Bereich eurer Wirbelsäule am Hals.“
Krass! Auf einen Schlag hab ich drei Säulen weniger in mir. Super ist das! Ich kann mich gleich viel besser bewegen.
„Spürt ihr diese Bewegung im Brustkorb?“, fragt sie.
Nee, denk ich. Ich spür die nur hinten am Rücken. Aber am Ende der Stunde, als ich das sag, fällt es mir auf: Das ist schon wieder so’n Fehlkonzept, weil Brustkorb ist doch auch hinten am Rücken, selbst wenn das „Brust“ im Wort was anderes besagt.
„Interessant! Nur: Es heißt ja auch ‚Korb‘. Und Körbe sind rund.“
Da hat sie recht. Es gibt wohl noch einiges zu entkleben an mir: Knochen von Wörtern, Konzepte im Hirn, den Körper selbst, auch wenn’s jetzt schon viel runder läuft mit dem als Korb auf Säule statt flach auf vier.
Joey Juschka
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen