berliner szenen: Der Müll II Schnösel auf Reisen
Respekt vor Mensch und Natur – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Aber sie wird mitunter auch von denen nicht gelebt, die sie – auf Umwelt-, Sozial- oder Flüchtlingsdemonstrationen – lauthals von allen anderen einfordern: linken StudentInnen.
Es ist früher Samstagabend, ein freundlicher Altweibersommertag in Erkner am östlichen Stadtrand. Ich gehe Richtung Bahnhof. Knapp vor mir auf dem Bürgersteig läuft eine Gruppe junger Leute in dieselbe Richtung, hip gekleidete Frauen und Männer mit bunten Haaren oder Dreadlocks. Sympathisch, denke ich, sind die von hier? Ach nee, sie tragen ja wasserdichte Packsäcke und lauter Bierflaschen; vermutlich kommen sie gerade von einer Paddeltour und sind auf dem Heimweg nach Berlin.
Da wirft einer der Jungs eine Bierflasche, die er gerade geleert hat, auf die Wiese der Grünanlage am Straßenrand. „Entschuldigung“, sage ich laut, „könntest du deinen Müll bitte mitnehmen!“ Er dreht sich um und antwortet lallend: „Das ist doch kein Müll!“ Ich verstehe nicht gleich, wie er das meint, und antworte dann: „Das kannst du vielleicht in Kreuzberg so machen, aber in Erkner gibt es keine Flaschensammler.“
Er macht eine abfällige Handbewegung und läuft weiter. Stattdessen dreht sich seine Begleiterin um, ein Milchgesicht mit wachen Augen. Sie fragt in einer Mischung aus Scheinheiligkeit und Arroganz, die mir die Sprache verschlägt: „Wieso? Haben es die Leute hier nicht nötig, Flaschen zu sammeln?“
Die Gruppe setzt ihren Weg fort, und die Flasche bleibt liegen. Hundert Meter weiter pfeffert der nächste junge Mann seine leere Bierflasche in den Straßengraben. „Voll cool“, sage ich, „wahrscheinlich habt ihr das vorhin im Wald auch so gemacht.“ Das möchte eine Ausflüglerin nicht auf sich sitzen lassen: „Das reicht jetzt“, giftet sie mich an. Ich sage keinen Mucks mehr.
Richard Rother
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