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berliner szenenGlamourös, glamouröser, am glamourösesten: Der neue „Tip“

HENGST SUCHT STUTE

Hin und wieder schlägt in Gegenden um den Zionskirch- oder Kollwitzplatz die Vergangenheit zurück. (Vielleicht ist es auch die Realität. Oder Kreuzberg.) Dann erschrecken besoffene Punks die Neuberliner in ihren schicken und weniger schicken Cafés mit „Ficken! Ficken! Ficken“-Rufen.

Die Punks gehen vorüber, anderes aber bleibt, zumindest für zwei Wochen. So richtig irritiert dürfte das junge, brave Prenzelberger Szenevölkchen (und nicht nur dieses) nämlich gewesen sein, als es am Mittwoch den neuen Tip in die Hand bekam. Dort hat Chefredakteur Karl Hermann den Punks einfach mal nachgeeifert, ein paar seiner Hohlräume versiegelt und eine Titelgeschichte geschrieben über „Berlins neue Partyschnösel“, die so genannten Glamour-Gören. Über Leute wie Juhnke-Sohn Oliver und Berben-Sohn Oliver, über Theo Sommers Nichte, die „Trägerrakete Ariane“, über Leute, deren „einziges Kapital ein Volltreffer im Genroulette ist“. Und er hat dabei auch gleich die „alten Schnöselclubs“ in Sack und Asche gehauen, das „New First“ und das „Annabell’s“, wo „die Thomas-Anders-Dubletten nach akutem Samenstau aussehen und die Ina-Werner-Kopien ihren Fick-mich-Blick aufgelegt haben“. Sabber, leck und scharr, Treffer versenkt. Fragt sich, wie Hermann eigentlich aussieht. Denn seine Geschichte über wahlweise die „Glamourbabys“, die „Glamourgören“, die „Glamourgeneration“, die wollte auch recherchiert sein, und an den Türstehern des 90 Grad, des Blu oder des Shark Club kommt eben nicht jeder vorbei. Hermann aber hat es geschafft. Er ist halt ein richtig eleganter Vatter mit allem Drum und Dran, „kein Partyparasit zwischen 50 und scheintot“. Und die dicken Eier und den Samenstau hat er sich für zu Hause aufgespart, in den Computer spritzt es sich sowieso am besten ab.

Feinste Ironie aber wäre es, wenn Hermann das von ihm im Shark Club besichtigte Dreiklassensystem nur von unten kennen gelernt haben sollte. Oben die „Gold-Karten-Inhaber“, dann die „Silberlinge“, unten das „Fußvolk aus der Holzklasse“, die Männer, die „die aufgebrezelten Premium-Stuten auf der Tanzfläche mit Blicken begatten“. Kein Hengst, wer bei so einem Satz nicht gleich Feuchtes denkt. Wer Hermann wohl da geritten hat? Franz Josef Wagner? Die BZ-Gesellschaftskolumnistin Alexandra Würzbach? Praline-Chefin Martina Krüger? Karl Hermann! Gib uns mehr! Gib uns Glamour! Gib uns Berlin! Gib uns alles! gb

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