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berliner szenenLove Parade doch gut

Rave

Wenn man sich angewöhnt hat, nur noch selten auszugehen, nimmt man es plötzlich sehr symbolisch, seinen eigenen Rücken im Tresor auf einem Foto im Spiegel-Vorbericht zur Parade zu sehen. Am Freitagabend am Radio ist man glücklich, dass einen die Musik wieder mitnimmt. Schade nur, dass die Fritz-Moderatoren Musik hassen und alle fünf Minuten reinquatschen müssen. Die Stimmen der Fritz-Moderatoren klingen mittlerweile genauso bescheuert wie auf Energy oder 100,6. Dieses befehlerische Gutdraufsein der Radiomoderatoren hat sein Äquivalent in dem notorischen Genervtsein der taz-Kollegen, die sich zurücklehnen und auf der sicheren Seite die Werte einer „Bewegung“ einklagen, für die sie sich nie interessiert haben.

Als die Love Parade plötzlich da ist, ist es schön, auch wenn alles mal wieder schief geht: Anstatt vom Brandenburger Tor aus in die Parade zu gehen, kommt man vom Ernst-Reuter-Platz, und auch Drogen hatte man vergessen zu kaufen. Die anderen nahmen so viel wie seit Jahren nicht mehr. Wahrscheinlich findet man Leute auf Drogen deshalb so gut, weil man selber ein intimes Wissen davon hat, wie sie sich fühlen. Man kennt ihre Zutraulichkeit, ihre Paranoia und ihre Exzessbereitschaft. Man weiß, wie sich das anfühlt auf dem schmalen Grat zwischen Ekstase und Absturz, der bei der Love Parade etwas breiter ist als gewöhnlich. Das Verhältnis der deutschen Restlinken zum Rausch aber ist so verständnislos wie das der Konservativen. Gewalttätigen Jugendlichen fühlt man sich verbundener als normalen Drogenusern.

Das Tolle an der Parade ist das Normale; Leute, die da glücklich mit ihren ungenormten Körpern rumrennen und deshalb sexy sind: die zu dicken, die zu dünnen, die mit den wackligen Brüsten und den komischen Stringtangas. Die Mädchen und Frauen sehen prinzipiell individueller und interessanter aus als die Männer. Fast alle verstrahlten Teeniejungs tragen blaue Polohemden. Am schönsten ist es, in die Gesichter zu schauen.

In den Medien wie immer nur die zu erwartenden Bilder. Da drüber steht Sex. Richtigen Sex will man natürlich nicht. Wir sind ja im Familienprogramm. Mit gestylten Pos und Busen kann man Fanta verkaufen; mit echtem Sex nicht. Könnte ja irritieren. Der Verlust des Zeitgefühls im schönen Lärm ist der Sinn.

Selber zum Geschehen zu werden. Deshalb geht man immer von Sonntag bis Montagmorgen in den Tresor. Sven, ein netter Raver Anfang zwanzig, taumelt nach dem Set von Sven Väth vorbei und sagt: „Das war ja lebensgefährlich, was der gemacht hat.“ Das Spektrum der Leute, die am Sonntag auf dem Tresor-Gelände waren, ist um einiges vielfältiger als das der taz-Leser und -Macher, um es mal so zu sagen. Die waren auch nicht alle auf der Uni. Sie schauten so wunderbar glücksentschlossen, und man guckte begeistert zurück. Nach seinem Set bahnten Hells-Angels-Bodyguards Väth einen Weg an uns vorbei und stützten ihn. Er grinste völlig breit und sehr jenseitig. Vermutlich ein paar E’s in Premiumqualität für berühmte DJs. Das Foto, das ich nicht machte, nehm’ ich mit bis zum nächsten Jahr. DK

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