berliner szenen: Gonzos Krönung
Der Chef
Kitty Yo hat es mal wieder hinbekommen, dass die internationale Trend-Journaille dem Underground-Superstar Gonzales die Brusthaare knuddelt. Es wurde eine Pressekonferenz gegeben. Und es wurde zur Wahl des Präsidenten des Berliner Undergrounds aufgerufen. Dazu wurde eine gehörige Pressemeute geladen. Und zwar standesgemäß in den Bundespressekonferenz-Saal in der Reinhardtstraße.
Gonzo betrat den Saal im rosa Zuhälteranzug, Kitty-Yo-Labelchef Raik Hölzl mimte den Bodyguard mit Ray-Ban-Brille, und auch sonst gab man sich ironisch amtlich. Die ganze Show lag irgendwo zwischen lustig und leicht peinlich. Zuerst hielt Gonzo eine Rede. Vor genau zwei Jahren war er von Kanada nach Berlin gekommen. Doch jetzt ist es endgültig Zeit für ihn, „uncanadian“ zu werden. Sprach’s und zerriss ein kanadisches Fähnchen. Applaus. An Gonzales lag es nicht, dass die ganze Veranstaltung ein wenig bemüht wirkte. Der ist wirklich ein großartiger Entertainer. Allein die ganzen Aktionen drumrum, die irgendwie witzig sein sollten, waren es nicht. Ein Zahnarzt putzte Gonzo die Zähne, die, wie man weiß, in einem ziemlich angegriffenen Zustand sind. Robert Defcon von der Band No Underground verteilte Flyer, auf denen zu lesen war: „Nein zu Chilly Gonzales, Nein zu Alec Empire, Nein zu Helmut Kohl, Nein zu Underground.“ Doch daraufhin knallte ihn Alec Empire ab und brachte sich danach gleich selber um. Damit wurde der Präsidentensessel für Gonzales endgültig frei. Der gab dann noch ein Konzert am Flügel in der Aula, und alle warteteten ein wenig auf noch irgendeine Bombe, die dann aber nicht mehr platzte. Das war’s. Die nächste Platte von Gonzales heißt „The Entertainist“. ANDREAS HARTMANN
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