berliner szenen: Arni in Berlin
Ihr seid Klons
„Müsstet ihr nicht draußen stehen, am roten Teppich“, fragen zwei jüngere Fans von Arnold Schwarzenegger im Foyer des Cinemaxx Potsdamer Platz. „Nee, wir machen die Hintergrundberichte.“ Hunderte von Premierengästen sind schon über den mit Premiere-Logos gepflasterten roten Teppich ins Kino defiliert. Nur der alternde Austro-Ami mit dem schiefen Gesicht fehlt. Dann, beim ZDF-Mikro gehen die Scheinwerfer an, Arnie plaudert sofort los. Winkt den Fans zu, gibt sogar ein paar Autogramme. Lässt sich richtig Zeit, auch für den Premiere-Interviewer, dessen Gesicht zwischen dem Pelzkrägchen seiner Jacke aussieht, wie fürs Fernsehen zurechtgemeißelt. Eines Tages wird die Menschheit humaner sein, weil keine Eltern mehr TV-Zombies aufziehen müssen, die kommen dann aus dem Gen-Labor. Aber ist das nicht saugefährlich, ist das nicht irgendwie uncool unethisch?
So oder ähnlich will uns Arnies neuer Film „The 6th Day“ fragen, aber vorher dürfen Stargäste wie Otto und Frau, Jürgen Vogel und Frau und D. Raacke und Frau noch den lustigen Worten des Columbia TriStar Managing Director Jürgen Schau lauschen, der aus lauter Nervosität sagt, er habe die traurige Gelegenheit, Arnold Schwarzenegger und Regisseur Roger Spottiswoode zu begrüßen. Alle Gäste sagen brav, wie toll Berlin doch sei und dass sie hier ganz ganz gern mal einen Movie schießen würden. Yeah! Weil doch auch Nikolaus sei, bekommt Arnold einen Roboterhund geschenkt (von Sony!), und die andern kriegen den kleinsten Walkman der Welt (von Sony!!), und Arnie sagt frech: Darf ich auch mal was sagen und heißt das jetzt noch Columbia oder SonyTriStar?
Danach war große Klonpartie im Umspannwerk kurz vor dem Bouleplatz am Kanal in Kreuzberg. Wir griffen uns sofort Prosecco-Gläser und bekamen stundenlang nachgeschenkt. Feinkost Käfer verköstigte bestimmt über tausend Partygäste, und weil eigentlich kaum Promis da waren (Arnie schlief längst über seinem Buch „Mit den Klons kamen die Tränen“), mussten Dominic Raacke und Frau dauernd sagen, was ein Tatort-Kommissar vom Klonen hält. Die Lampen im ehemaligen Stromwerk waren als lebensgroße Monsterembryos aus ganz viel Plastikfolie gestaltet. Darüber blaues Scheinwerferlicht. Immer wenn man die Klons bewunderte, wurde einem automatisch nachgeschenkt. Keiner brauchte hier Geld. Utopisch!
Kurz vor Zwölf stellten sich die vermeintlichen Bodyguards im Dachgebälk als Stuntmen heraus, die mit Schreckschusspistolen ein schrecklich lautes Feuergefecht simulierten. Nach dem sie alle vom Dach gefallen waren, tauchte mit größem Gedöns der DJ aus einem Kellerloch auf. An einer alten Stahlseilwinde wurde der Mann in einer Kanzel neben eine der Theken gehängt. Zum Pinkeln hätte er eine wacklige Hängeleiter runterklettern müssen. Inzwischen rauchten alle Zigarren, denn die gabs vor den Klos umsonst. Der DJ spielte Sachen, die jeder kennt und einige aufgedonnerte Ladies tanzten dazu um ihre Handtaschen herum. Dann wurde wieder nachgeschenkt.
ANDREAS BECKER
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