berliner szenen: Mitte Tristesse
Sex is back
Was konnten wir vor 4–5 Jahren nicht alles lesen über die Sexiness des Hackeschen Marktes und die blühende Clublandschaft in Mitte! Ja, es gab sogar einen Popsong über das heiße Leben in Mitte. Bis heute leben einige Umsonst-Magazine und kleinere Feuilletonisten von diesem Mythos. Wer aber am Hackeschen Markt lebt, weiß, wie wild das Leben hier ist. Selten verirren sich Touristen in die letzten drei illegalen Bars, aber neue Lokale locken bereits nach einem Monat mit „Happy Hours“. Toaster, Casino, Boom Club und all die anderen sind umgezogen oder verschwunden. Den wenigen Feierwütigen konnte man Schmerztabletten als Extasy verkaufen. Es ist hier nachts nun wie in der Altstadt von Düsseldorf.
Eine wackere Bastion aber gibt es noch. Die Aktionsgalerie. Bislang als angenehm dunkle, laute und nette Bar bekannt, mit immer betrunkenen Künstlern, hat sie nun eine brühheiße Attraktion: eine computeranimierte Tänzerin auf einer riesigen Leinwand, so „sexy“, wie es nur geht, mit Brüsten, die jeder lebenden Frau sofort das Kreuz brechen würden. Techno-Sex is back in Mitte. Die Computerfrau tanzt, dreht sich, bängt den Unterleib vor, präsentiert ihren Hintern, und das möglichst schnell auf auffällig hohen Absätzen. Würde dieses Animationsvideo im Matrix oder Speicher laufen, entsprächen ihre Tanzbewegungen den dort herrschenden Bassbeats. Nun läuft das Video hier aber zu ruhigem House oder Downbeat. Einsam dreht sich die Frau, und nur ein paar Biertrinker schauen vom Glas auf. Der Computer ravet allein vor sich hin. Ohne Musik. Die Kellerclubs bleiben zu.
JÖRG SUNDERMEIER
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