berliner szenen: Illies las bei Dussmann
Schuldgefühle!
Ja, ich gebe zu, dass ich hier zu erwähnen gedachte, wie sehr sich Florian Illies im Kulturkaufhaus Dussmann beim Vorlesen verhaspelt hat. Und ja, ich habe sofort ein entsprechend schlechtes Gewissen, dem aufgeregt Vorlesenden Unrecht zu tun, nachdem Illies diesen Gedanken selbst beiläufig, aber zielsicher zwischen zwei Textpassagen zur Pointe macht. Aber nein, ich werde deshalb nicht schweigen. Schließlich ist Florian Illies hartgesottener Kulturkritiker, wenn er nicht gerade Auszüge seines neuen „Unschuldiger-leben“-Ratgebers zum Besten gibt. An Lesebühnenerfahrung scheint es dem adretten jungen Mann im braunen Kordanzug allerdings doch noch zu mangeln. Weniger an Eitelkeit. Gleich zur Begrüßung gesteht er, er würde heute sein schlechtestes Paar Schuhe tragen. Ist das, wie er meint, der Anfang vom Ende der Popliteratur?
Wenn ja, hätte der Autor für einen glamouröseren Abgang das öffentliche Rezitieren seines neuen Buchs „Anleitung zum Unschuldigsein“ intensiver üben sollen. Er liest hastig, als würde er den Text nicht kennen, den er da vor der Schulklasse laut vortragen muss. Das Publikum, dem trotzdem eine Art Dauerschmunzeln anhaftet, hat seinen Spaß daran, einige Übungen für banale und extreme Fälle des ganz persönlichen und doch kollektiven schlechten Gewissens zu erfahren.
Erstaunlich schnell leert sich nach einer knappen Lesestunde der überfüllte Raum dann auch wieder. Ich verlasse das Kulturkaufhaus mit Schuldgefühlen, weil ich dem Schriftsteller kein Buch abgenommen habe. Und als ginge es mir nicht schlecht genug, verkauft ein Obdachloser vor dem Eingang auch noch die neue Motz. PAMELA JAHN
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