berliner szenen : Anwältin der anderen Art
Alles auf eigene Gefahr
In stiller, amüsierter Beobachtung vereint betrachten Touristen und Einheimische drei Schimpansen, die hinter der Scheibe sitzen und zurückblicken, bis eine kleine Frau mit schlechten Zähnen Bewegung in das gattungsüberschreitende Tableaux bringt. „Du, Pepe, du bist der Schlimmste, mach das nie wieder,“ ruft sie und wendet sich dann den Menschen zu. „Ich zeig’ Dir was“, sagt sie und zieht, als gar nichts mehr hilft, ein Kind am Anorak zu sich herüber. „Das ist Pepe, schau mal die rechte Hand, den Finger hat Karel ihm abgebissen.“ Das Kind macht sich klein und die Expertin fährt nach einer kurzen Pause fort: „Da gehste nur einmal rein und dann nicht mehr, das ist alles auf eigene Gefahr hier.“ Die drei Affen lassen von ihrer Wildheit wenig ahnen und die gesprächige Zookennerin unterhält ihr Publikum derweil mit Geschichten von Pflegerängsten, Steinwürfen und Ausbrüchen: „Der Gärtner is um ’ne Stulle gegangen und Pepe am Gartenschlauch rauf und raus! Die haben die siebenfache Kraft eines Schwergewichtboxers, haben die! Wenn da ein Kind steht . . .“ Letzteres lässt sie offen. Dann nickt sie mehrmals und wendet sich zum Gehen. Doch scheint sie die stumme Ungläubigkeit zu spüren, die sich hinter ihrem Rücken ausgebreitet hat: „Heute sind sie ja vergleichsweise fromm, aber wenn Sie wie ich jeden Tag hier sind, dann würden Sie die anders kennen . . .“ Und plötzlich, wie um eine treue Freundin nicht im Stich zu lassen, wechseln die Schimpansen aus dem Modus Langeweile in den Modus Showbusiness und beginnen gegen die Scheibe zu klopfen. Aber das entgeht der Anwältin der anderen Gattung, die neue Besucher gefunden hat, denen sie die Geheimnisse des Affenhauses offenbaren kann. MONIKA RINCK
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