berliner szenen: Einkaufen im Wedding
Wir unter uns
Es ist immer noch nicht ganz alltäglich, den Prenzlauer Berg in Richtung Westen zu verlassen. Rüstig rumpelt die Straßenbahn die Bornholmer Straße hinauf und über die Brücke. Kurz vor Wedding fällt der Blick auf einen kleinen Gedenkstein direkt neben der Fahrbahn. Zerbrochene Schnapsflaschen, Plastiktüten, verschrumpelte Kerzenstummel – was wollen wir eigentlich im Westen? In diesem Fall ist die Sache klar: im Mediamarkt Pankstraße einen Flachbildschirm kaufen. Doch vorher noch schnell durch den angrenzenden Möbel-Höffner. Denn hier soll man im Restaurant „Kochmütze“ günstig speisen können.
Tatsächlich: ein komplettes Zwei-Personen-Menü für 20 Mark. Der Kaffee ist auch verdächtig billig. Während zwei betagte Damen am Nebentisch ihre Arztrechnungen vergleichen, schweifen unsere Blicke auf das Panorama vor der Fensterscheibe. Die famos moosige Kiesel-Dachterrasse mit geradezu psychedelischem Lüftungsklappen-Muster geleitet den Blick gnadenlos bis zum Horizont. Dort fliegt gerade ein Flugzeug mitten durch den gotischen Turm des Amtsgerichts Wedding!? Klarer Fall von optischer Täuschung. Aber auch das Interieur ist nicht ohne. Aufwändige türkis-grüne Fliesenfiguren säumen den Fußboden, an den Wänden hängen Themen-Dekos im Stil der 50er-Jahre: alte Filmplakate, alte Feuerwehrschläuche, rustikale Fliegermotive: „Bill’s Flight-School. Beginners welcome!“ Jetzt aber schnell rüber in den Mediamarkt. Der billigste Flachbildschirm ist schnell gewählt, auf zur Kasse: „Können Sie uns Ihre Postleitzahl sagen?“ Wir schauen uns etwas zögernd an: Wegen 11. September!? „Nee, für die Statistik“. Also gut: „10439“. Die Kassiererin lächelt viel wissend: „Aha, die Nachbarn!“ ANSGAR WARNER
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