berliner szenen: Die kleine Kneipe
Von nebenan
Die Summe an Geld, um die man in der Freizeit beschissen werden kann, hat sich mit der Einführung des Euro verdoppelt. Zum Beispiel beim Trinken. Das „Oscar Wilde“ ist eine ansonsten eher unauffällige Bauarbeiterkneipe am U-Bahnhof Oranienburgerstraße. Vorne stehen ganz nach angelsächsischer Art zu niedrige Tische und Stühle, hinten kann man sich mit Dartspfeilen bewerfen, in der Mitte hängt ein Fernseher, auf dem Spiele der Premier-League gezeigt werden. Alles in allem so auf die feine englische Art prima, obwohl der Laden ja eigentlich für irischen Trinkstyle steht. Immerhin ist aber auch das Guiness anständig dickflüssig und der Whiskey wird absturztechnisch korrekt von Jameson geliefert.
Anders als die Briten haben sich die Iren zum Jahresstart für den Euro entschieden. Zumindest sind auf der Speisekarte ab dem 1. Januar alle Preise umgestellt worden: Ein Glas Guiness kostet jetzt 3,20 €. Schade nur, dass sich der Kellner für die neuen Beträge nicht interessiert. Oder zumindest nicht so genau. Nachdem er kurz überlegt hat, was er für das Bier nehmen soll, findet er, das 3,90 € viel besser zu dem Getränk passen. Man selbst will sich da abends gegen elf Uhr auch nicht unnötig einmischen und um Pfennigbeträge fuchsen. Also wird das Geld über den Tresen geschoben und noch 50 Cents dazu, weil niemand, der in Berlin Biere zapft, gerne ohne Trinkgeld nach Hause geht. Erst draußen an der frischen Luft ist man doch ein wenig verdutzt: Waren das gerade eben wirklich fast neun Mark für ein Bier? Das macht wütend, das ist schlimm und vor allem schade: Denn in den irischen Pub war man bloß gegangen, um endlich ein paar ausländische Euromünzen als Wechselgeld rauszubekommen.
HARALD FRICKE
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