berliner szenen: Alles prima bei Superspar
Herr Blitz
Gegenüber ist ein Superspar. Hat man Hunger und war man, wie ich, ein Kind, das sich nie Pausenbrote gemacht hat, dann muss man täglich in den Superspar. Superspar, was soll das heißen? Hier wird mehr gespart als nur gespart, hier ist sparen super. Vielleicht geht’s auch um die Analogie Superstar – Superspar? Früher hießen diese Läden Bolle oder Feinkost Schmidt, heute sind sie alle „irgendwie Pop“.
Damit nicht genug: Beim Superspar tragen die Verkäuferinnen und Verkäufer Kittel, auf denen steht: „Ich helfe Ihnen gern“. Das steht nicht vorn, so dass sie einem beim Lesen ins Gesicht sehen können, nein, das steht auf den Rücken – böse Gesichter ausgeschlossen. Das ist ihr Label, das ist Entfremdung, mehr noch, das ist die totale Übereignung. „Ich helfe Ihnen gern“ – so stehen sie an ihrem Arbeitsplatz. Hier kaufe ich ein, so lebe ich. Ich gehe in die neonlichtkalte Verkaufswelt, zupfe an Scheiblettenverpackungen und erlebe vor allem einen Verkäufer Tag für Tag.
Einen ganz besonderen Verkäufer, der sich in dieser Welt wie ein Gärtner benimmt. Vorsichtig und langsam stapelt er Tunfischdose auf Tunfischdose, bedächtig sortiert er die stets durcheinander geratenen Weinflaschen, ohne Hast verhilft er unaufgefordert einem alten Herrn zu der ganz besonderen Ananaskonfitüre. Und er kassiert freundlich und mit einer Ruhe ab, dass die meisten lieber in der Schlange vor einer anderen Kasse stehen. Er bricht mit seiner Gemächlichkeit alles Fiese an diesem Laden auf. Er macht das Unpersönliche persönlich. Er lässt Hektik ersterben und Freundlichkeit walten. Er ist ein Kapitalismusgegner, der die Verhältnisse tanzen lässt. Die Heizung in einer kalten Zeit. Und er heißt, o Superstar, so steht’s auf seinem Kittel: Herr Blitz. JÖRG SUNDERMEIER
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