berliner szenen: Kreuzberg calling
Die Zukunft des Rock
Kreuzberg ist ja wieder in aller Munde. Und auch Punk, Emocore, Crossover – schlicht: die Gitarre – ist wieder schwer angesagt. Beides gehört irgendwie zusammen. Da ist es nur folgerichtig, dass man plötzlich im Tommy-Weissbecker-Haus in Kreuzberg vor einer dicken Ladung Noiserockbands steht. Alles ist hier ein wenig wie früher: Das Bier ist billig, der Eintritt beträgt gerade mal fünf Euro, und die Bands tragen gewöhnungsbedürftige Namen wie Brustkrebs, Oliver Twist oder gar XBXRX.
Und alles ist sogar richtig aufregend. Bei Brustkrebs aus Hamburg erwartet man eigentlich nichts Gutes – eine pubertierende Jungspunkband, die sich den größtmöglich beknackten Bandnamen ausgedacht hat – und ist dann völlig von den Socken, als eine Truppe von Mädchen in äußerst bizarrer Aufmachung die Bühne entert und astreines feministisches Punk-Cabaret bietet. Man spürt das ernsthafte Anliegen und ist dankbar, dass man dabei so viel Spaß haben kann. Die Stimmung ist so gut wie im Knaack oder der Maria nur selten, von den traurigen Berliner Großclubs ganz abgesehen. Peaches ist auch im Publikum, was ist hier eigentlich los?
Doch der wahre Wahnsinn kommt erst noch. XBXRX, das muss hiermit verkündet werden, sind die wahre Rettung des Rock ’n’ Roll. Nicht etwa Andrew W. K. oder eine dieser neuen Verheißungsgruppen. Ihr Auftritt dauerte gerade mal eine halbe Stunde, doch diese Zeit war reine Energie. Vier junge Menschen rocken sich ihre Herzen heraus, reißen sich die Klamotten vom Leib – all das, was man sich immer so sehr wünscht. Morgen spielen die Hoffnungsträger des Black Rebel Motorcycle Club im Knaack für teures Geld. Es wird bestimmt wieder enttäuschend.
ANDREAS HARTMANN
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