: berliner szenen Warmmiete
Stöhnen von nebenan
Neulich inserierte ich mein schönes Altbau-WG-Zimmer. Es wurde mir einfach zu laut dort. In die Wohnung neben mir war eine Prostituierte eingezogen, die ihr Schlafzimmer genau neben meins gelegt hatte. Sie stöhnte im Viertelstundentakt, und zwar so intensiv, als gäbe es für Lautstärke noch einen Aufschlag. Ich stellte mein Bett in die andere Zimmerecke, ich zog samt Matratze in den Flur um. Es half alles nichts: Der Lärm war nicht mehr auszuhalten. Meine Mitbewohner sahen mich manchmal mitfühlend an und boten mir Asyl in ihren Zimmern.
Ich entschloss mich schweren Herzens, mich vom schönsten WG-Zimmer meiner WG-Laufbahn zu trennen und gab eine Anzeige auf. Ich hoffte, dass der potenzielle Nachmieter nicht ausgerechnet im Augenblick des Höhepunktes mein Zimmer betreten würde. Ich mag es einfach nicht, mit einem Fremden in einem Raum zu stehen, während nebenan jemand kommt (oder wenigstens so tut als ob). Es riefen mehrere Interessierte an, ich deutete jedes Mal vorsichtig „hellhörige Wände“ und „nachtaktive Nachbarn“ an. Manche ließen sich davon abschrecken, andere nicht. Irgendwann klingelte dann der erste potenzielle Nachmieter an meiner Tür. Ich ging an die Sprechanlage. Er nannte nicht seinen Namen, sondern fiel gleich mit der Frage ins Haus: Wie teuer ist es denn?
Irritiert über seine Umgangsformen schaltete ich nicht sofort und antwortete: Das stand doch in der Anzeige, 200 Euro warm. Er schwieg. Häh?, sagte er dann, ist dort nicht die feuchte Yvonne? Nein, sagte ich und legte auf. Wahrscheinlich macht er sich bis heute Gedanken darüber, welche Leistungen in „200 Euro warm“ inbegriffen sind. Und was man für „kalt“ bekommt.
SANDRA NIERMEYER