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Archiv-Artikel

berliner szenen Vor Gericht

Auf dünnem Eis

Meineid, werden die drei Zeugen vom Richter belehrt, ist ein schweres Verbrechen, für das man wie Räuber bestraft werde. Dann müssen sie den Raum verlassen. Der Richter fragt die Beklagten, woher sie wüssten, dass an der Stelle kein Eis gewesen sei, doch sie können es nicht sagen. Der erste Zeuge wird hereingerufen. Ihm ist die Eisfläche schon Stunden vorher aufgefallen, er hatte dem Geschäftsführer Bescheid gesagt, der anrief, damit gestreut werde, was aber wohl erst nach dem Unfall erfolgte.

„Wie sah das Eis aus?“, fragt die gegnerische Anwältin.

„Es sah aus wie weggekipptes Wischwasser mit Schaum.“

„Kann es Bier gewesen sein?“

„Nein, aber ich habe nicht daran gerochen.“

Der zweite Zeuge soll bestätigen, dass es dort kein Eis gegeben habe. Ob er sich die Stelle danach angeguckt habe, wird er gefragt. „Nein! Oder doch, aber nicht genau. Nein, Quatsch, ich hab sie mir angekuckt und gestreut, 5 bis 10 Minuten nachdem es passiert ist. Doch, doch, da war Eis.“

Der Eindruck einer eigenartigen Prozessführung der Gegenseite stellt sich ein. Wieso sagt ihr Zeuge im Sinn der Anklage aus?

„Wann waren Sie das letzte Mal davor an dieser Stelle?“ Das kann er nicht sagen. Er glaubt, fügt er noch hinzu, dass ein Gast das Wasser ausgekippt habe. Eine recht gewagte Vermutung. Besucher sollen mit Wassereimern auf den Weihnachtsmarkt kommen, um sie dort auf die Wege zu kippen? Der letzte Zeuge hat erst ein Jahr später von dem Unfall und dem angeblichen Eis erfahren, logischerweise kann er sich an einen Eisfleck nicht erinnern.

10.000 Schmerzensgeld Euro findet der Richter übertrieben, bei ähnlichen Fällen hat er nur 5.000 Euro gegeben. Das Urteil wird in drei Wochen verkündet.

FALKO HENNIG