: berliner szenen Eilfahrt nach Mallorca
Ballermann-Symposium
Ein Taxistand in Kreuzberg. Ein befrauter Rollkoffer erobert mich im Schweinsgalopp. Flughafen Tegel. Bitte. Sie hat einen wichtigen Kongress auf Mallorca. Bitte, bitte. In zehn Minuten müssen wir da sein. Die spinnt.
Aber sie ist nett. Kann doch jedem mal passieren. Und wer kennt das nicht: Wichtiger Kongress auf Malle – Sonnenbrand, Weinbrand und am nächsten Morgen Megabrand? Ich fühle mit. Mein Herz krampft sich nervös zusammen, mein Fuß drückt das Gaspedal durch. Klassisches „Stockholm-Syndrom“: Ich identifiziere mich mit dem Fahrgast, der zu spät kommt. Nicht sie muss den Flieger erreichen – wir müssen ihn kriegen, sonst platzt das Ballermann-Symposium. Zusammen sind wir stark, Frau Malle und ich, gemeinsam werden wir es schaffen. Endlich hat dieser Job mal Sinn – seit ich diese extrem lukrative Kolumne bediene, übe ich ihn ja kaum noch aus.
Während der Fahrt telefoniert sie von Pontius zu Pilatus: Pontius hat keinen Schimmer und Pilatus wäscht seine Hände in Unschuld. „Hätte ich Ihnen gleich sagen können“, bemerke ich naseweis, „versuchen Sie’s doch mal direkt am Easyjet-Schalter.“ Sie versucht es – dort geht keiner ran. Also gebe ich auf gut Glück weiter Stoff. Donnerstagnachmittag ist das schwierig. Trödelstunde. Vor mir herrscht „Cucumbering in front of the Lord“, ein Gegurke vor dem Herrn. Wenn die Straße mal kurz frei ist, lasse ich den Motor brüllen – zum Glück ist es nicht meiner.
Vorm Gate angekommen, rennt Malle schon mal los. Vereinbarungsgemäß folge ich mit dem Koffer. Am Schalter strahlt sie mich an: Sie darf noch mit – eine Viertelstunde vor dem Abflug. Wir sind froh. Kurz denke ich fast, sie will mich küssen. Das fände ich dann doch deplatziert.
ULI HANNEMANN