: berliner szenen Drogen und Kino
Abstinent feiern
„Für Kollegen und Freunde“ hatte auf dem Einladungsflyer zur Teampremiere des Films „Feiern“ von Maja Classen gestanden. Das Babylon war überfüllt. Mehrmals drohten Kinomitarbeiter damit, die Veranstaltung abzubrechen, weil die Leute auch durch verbotene Eingänge – eine Loge, in der zwei Rollstuhlfahrer saßen –, in den Saal strömten. Das Team war groß, die Regisseurin hat wohl viele Freunde.
Der Dokumentarfilm handelt von Ausgehen, Drogen, Endlostanzen und der existenziellen Bedeutung dieser Dinge. Wenn jemand auf der Leinwand eine Drogenanekdote aus dem Nachtleben erzählte, lachten viele im Publikum wissend. Manche klatschten wiederum oppositionell, wenn jemand sagte, Ausgehen sei auch ohne Drogen super. Viele guckten sich den Film ganz genau an, in der Hoffnung, irgendwo ihr eigenes Gesicht zu entdecken. Diese Hoffnung war teils auch mit Furcht durchmischt; hätte ja sein können, dass sie in krass verstrahlten Augenblicken aufgenommen worden waren.
Eine der Frauen, die im Film viel und ehrlich über ihre Ausgehsucht gesprochen hatte, sagte nach der Aufführung, sie nehme seit einem halben Jahr keine Drogen mehr und gehe auch nicht mehr aus. C. fragte, ob sie jetzt noch mitkäme ins Watergate, wo die After-Film-Premiere stattfand? – „Klar. Ich muss nur noch einen Joint rauchen.“
Weil ich vor einer Woche auch öffentlich verkündet hatte, nun erst mal abstinent sein zu wollen, guckte ich sehnsüchtig da hin, wo sie hinging. Sie saßen auf einer Bank und kifften. Ich machte einen Schritt zu ihnen hin, hielt dann inne, zögerte, schaute ihnen ein bisschen neidisch zu, wie sie rauchten, überlegte, ließ es dann aber doch und fuhr wieder nach Hause. DETLEF KUHLBRODT