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Archiv-Artikel

berliner szenen Der Berg ruft

Alpin in der Hauptstadt

Samstagmorgen in einer hässlichen Straße des Prenzlauer Bergs: Nasskaltes Wetter und graue Fassaden drücken auf die Stimmung. Zentimeterdick erinnern Streusplit und Sand an ein längst geschmolzenes, hauchdünnes Schneeaufkommen und erschweren das Radfahren. Auf dem Gehweg rollen Kinderwagen vorbei an Tannenbaumleichen.

Plötzlich taucht in einer Baulücke etwas seltsam Helles auf. Eine Art schmutziger Schneeberg ergießt sich mit exakt 10 Prozent Neigung zwischen zwei riesigen Brandwänden hinab. Hinter einem Zaun stehen Menschen in roten Overalls wartend im Regen herum.

„Der Kleine Wagrainer“ informiert das Schild auf einem Baucontainer am Eingang. Laut Pressemitteilung verzaubert Kunstschnee „die Brache in bester Kiez- Lage“ in eine veritable Skipiste. Drei Monate garantiert ein halber Meter grauweiße Künstlichkeit ideale Bedingungen. Das kostenpflichtige Angebot richtet sich ausschließlich an Minderjährige. Die 50 Meter lange Abfahrt soll Kids die Chance geben, schon in frühen Jahren mit sportlich alpiner Betätigung in der Hauptstadt vertraut zu werden: Zwergerl-Skischule mit geprüften Skilehrern ohne Lawinengefahr. Ab 16 Uhr wird der Berg in grelles Flutlicht getaucht und für die Großen gibt’s beim Einkehrschwung an die Fertighausbar (Modell Tirol) original Hüttenzauber mit Schwammerln. Damit niemand aus dem Fenster schauen muss, informiert eine Webcam nonstop über die Witterungsverhältnisse am Berg. Zur Eröffnung war neben dem österreichischen Botschafter und dem Pankower Berzirksbürgermeister sogar Eisbär Mito erschienen. Schade, dass ich das verpasst habe. Der Regen wird stärker, der Berg ruft. SUSI MIX