: berliner szenen Damals bei Leonard
It seems so long ago
Das Leonard-Cohen-Konzert war nun schon eine Weile her und in der Erinnerung eigentlich immer besser geworden. Vielleicht kam es daher, dass der Tag ohnehin so toll gewesen war und dass es uns deshalb im Nachhinein viel schöner schien als im Moment des Erlebens; vielleicht war es tatsächlich viel besser gewesen, als wir hatten wahrnehmen können, genervt von der O2-Arena, diesem „charakterlosen Dreckstück von einer Konzert-Location“ (Rolling Stone).
Manchmal hatten wir über dies Konzert noch gesprochen. Dass es einen entscheidenden Moment gegeben hatte, in dem sich alles gebündelt hatte. Das war „If It Be Your Will“ gewesen. Leonard Cohen hatte das pathetische Lied gesprochen, ohne Begleitung, und es war ganz still gewesen in der viel zu großen Halle.
Dann hatte er sich vom Mikrofon entfernt, die Webb-Sisters hatten den Text nun a cappella für ihn gesungen, so schön sie es konnten. Sie hatten ihn dabei angeschaut; er hatte ergriffen zurückgeguckt. Man hatte Leonard Cohen gesehen, auf den großen Screens eher als in echt, wie er seinen Kopf mit geschlossenen Augen in den Nacken legt, und die Sängerinnen, wie sie ihn anschauten, als sie so sangen. Neben mir hatte K. wütend gesagt, das könne sie nun überhaupt nicht ertragen. Außerdem müsse sie nun sowieso nach Hause. Ich hatte es eigentlich auch furchtbar kitschig gefunden; der größte Teil des Publikums aber war ergriffen und hatte Recht; es war ja darum gegangen, voneinander Abschied zu nehmen, wahrscheinlich würde man sich nie mehr wiedersehen, alle waren schön gewesen an diesem Abend; „Don’t catch a cold – it’s chilly outside“, hatte Leonard Cohen am Ende gesagt, dann hatte er beschwingten Schrittes die Bühne verlassen. DETLEF KUHLBRODT