: berliner szenen Ambient in Tempelhof
Feindlicher Tag
Dass man den Flughafen Tempelhof so schön melancholisch findet, mag auch daran liegen, dass seine Tage gezählt sind. Ein Plan sieht bekanntlich die Degradierung des Flughafens in ein gigantisches Autohaus vor. Am Samstagnachmittag hätte man die Menschen in der Eingangshalle an zwei Händen abzählen können. Im ehemaligen Restaurant des Gebäudes tummelten sich dagegen 150 Leute. Hier gab es eine Record-Release Party von Vanishing Breed, einem Projekt des Londoner Musikers Alexander Holmes mit unterschiedlicher Begleitung. Aber zunächst und ab drei Uhr nachmittags gab es Ambient-Djing mit Tee und Kuchen. Die Ambient-Stars Dirk und Christian von SchneiderTM u. a. legten auf. Die Leute schneidersitzten auf dem dunkelblauen Teppich. Manche rauchten Joints oder tranken Astra-Bier. Der Typ am Mischpult trug ein T-Shirt, auf dem „die metallischen Rückkehrer“ stand. Eine Spanierin erzählte, wie toll sie Berlin wegen der tollen Musik hier fände. Als Berliner übersieht man viel zu häufig die Qualitäten der eigenen Stadt.
Als die Sonne dann unterging, spielten Vanishing Breed. Anfangs bat Alex Holmes darum, die Zigaretten auszumachen, aber es war dennoch ein schöner Auftritt. Die wechselnden Musiker trugen zum Beispiel Papiermasken mit Affengesichtern und wer eine wollte, bekam eine geschenkt. Die romantisch verträumten Songs waren allen „Ausländern“ und long distance lovers gewidmet. Sie klangen folkig-elektronisch, ein wenig wie Jim O’Rourke (weil ja alles immer ein bisschen „wie“ klingt). Dass die Band nicht eingespielt war, steigerte nur den Charme des Auftritts. Ein Lied hieß „Ich habe keine Angst“ und enthielt schöne Zeilen wie: „Es gibt keinen feindlichen Tag.“ DETLEF KUHLBRODT