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■ beiseiteVersuchskarnickel

In dieser Woche startete am Institut für Psychologie der Humboldt-Universität, Abteilung Persönlichkeit und Soziale Beziehungen (!), das Promotions-Projekt „Studentenbeziehungen“. Darin sollen – und jetzt aufgepaßt! – „der Wandel der sozialen Beziehungen der Teilnehmer in Relation zu ihrer stabilen Persönlichkeitsstruktur“ untersucht werden – und vice versa, natürlich. Im fahlen Licht eines der Institutsräume in der Oranienburger Straße bekamen die insgesamt etwa 250 Versuchskarnickel einen detaillierten Fragebogen ausgehändigt. Darin fand sich so manch suggestive Frage zur Selbst- und Fremdeinschätzung, nach dem Verhältnis zu den Eltern und anderen Bezugspersonen, Lebens- und Liebesgewohnheiten. Ergänzend gab es die Möglichkeit, im sogenannten Tagebuchprotokoll – auf dem Anrufbeantworter des Instituts oder per allabendlichem Briefbericht – täglichen Rapport über alle relevanten sozialen Interaktionen zu erstatten (sofern länger als zehn Minuten und mit Gefühl). Obwohl diese zusätzliche Forderung anfänglich auf Murren stieß, wurde doch von jedem im Verlauf des Abends zumindest der erste Fragebogen gewissenhaft ausgefüllt. Was also noch nicht einmal die beste Freundin weiß, steht nun – anonym natürlich – im Interesse „aktiver Wissenschaft“ (so der Leiter Professor Doktor Jens B. Asendorph) schwarz auf weiß auf Papier. Am Ende des als zweijährige Grundlagenstudie angelegten Projektes können die Teilnehmer, alles Erstsemester zwischen 18 und 21 Jahren, sich von einem Psychologen die vom Computer individuell ausgewerteten Fragebögen erklären lassen. Geld für dieses Mammutprojekt gibt es unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Psychotherapeutischen Beratungsstelle des Landes Berlin. Letztere hat natürlich ein konkretes Anwendungsinteresse und erhofft sich mit einem vergleichenden Blick auf die Entwicklung der „Normalen“ (O-Ton) später einmal besser beraten und vorbeugen zu können. Denn schließlich sind alle Probleme im Kern Beziehungsprobleme, nicht? Wir plädieren für eine Erweiterung des Sektenverbotsgesetzes auf derartige wissenschaftliche Bauernfängereien.

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