■ beiseite: Gelehrte Genüsse
Während in der ganzen Stadt erschöpfte Raver auf Verkehrsinseln dösten, feierte das Berliner Schloß Charlottenburg bei starkem Besucherandrang und bestem Ausflugswetter gestern gemütlich und gediegen seinen 300. Geburtstag. Bereits in den Vortagen hatten dazu Konzerte und eine Präsentation historischer Kostüme in der Großen Orangerie stattgefunden. Am 11. Juli 1699 hatten Sophie Charlotte und ihr Gemahl, der spätere König Friedrich I. in Preußen, die Einweihung des Schlosses gefeiert, das zu dieser Zeit nach dem benachbarten Dorf Litzow noch Lietzenburg hieß. Nach dem frühen Tod von Sophie Charlotte 1705 erhielt die Anlage ihren heutigen Namen. Sophie Charlotte versammelte in dem 1695–99 nach Plänen von Johann Arnold Nering als kleines Sommerschloß für die Kurfürstin und spätere Königin errichteten Schloß gerne Künstler, Gelehrte und andere Freunde musischer Genüsse um sich – wie zum Beispiel den Philosophen und Akademiegründer Gottfried Wilhelm von Leibniz – und machte es zu einem kulturellen Zentrum von Rang. Sie hatte zuvor das ihr von Friedrich übereignete Schloß Caputh bei Potsdam wieder zurückgegeben, weil es ihr zu abgelegen war. Nach seiner Königskrönung 1701 ließ Friedrich das Schloß durch Johann Friedrich Eosander von Göthe großartig erweitern, wobei der Ehrenhof entstand. 1710 wurde der markante Kuppelbau errichtet. Friedrich II., der gute „Alte Fritz“ (1740–86), wählte das Schloß kurzzeitig zu seiner Residenz. 1943 wurde das Schloß Charlottenburg bei Luftangriffen stark beschädigt. Nach einem heftigen Für und Wider wurde es in den fünfziger Jahren wiederaufgebaut. Dabei wurde auch das berühmte Reiterstandbild des Großen Kurfürsten aufgestellt. Es hatte zuvor auf der Kurfürstenbrücke, der heutigen Rathausbrücke, am Berliner Schloß gestanden und war im Krieg im Tegeler See versenkt worden. Das Reiterstandbild gilt als die bedeutendste Barockplastik im deutschsprachigen Raum. Das Schloß Charlottenburg gehört heute zur Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg.
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