barbara dribbusch über Gerüchte: Zuhören im Tangoschritt
Es gibt viele Möglichkeiten, eine Partnerschaft lebendig zu erhalten – aber will man das auch wirklich?
Ein Nachbar hatte Britt den Tipp mit dem Kaminofen gegeben. „An einem Kaminfeuer“, hatte er gesagt, „da führt man nur gute Gespräche.“ Britt hatte daraufhin das gusseiserne Teil in Dänemark geordert, Modell Morsö, schwarz und mit einer hitzefesten Glasscheibe versehen.
Wir brauchen eine Sackkarre, um den 80 Kilo schweren Harmoniebringer zu viert durch den kleinen Garten in den Wohnraum des Reihenhäuschens zu verfrachten. An einem Freitagabend bin ich mit drei Freundinnen zum Anfeuern geladen, die Männer sind nicht dabei. „Feuer hat irgendwie immer eine tiefe Symbolik, Wärme, Leben, Leidenschaft“, sagt Britt, knüllt altes Zeitungspapier zusammen und stopft es in den Ofen. „Nicht zu viel Zeitungspapier“, mahnt Theresa. Sie hat an jenem Abend Stress mit ihrem Lebensgefährten gehabt. „Wir müssen einfach mehr schöne Dinge zusammen machen, das ist es“, seufzt sie. Diesen Satz habe ich schon öfter von meinen langzeitgebundenen Freundinnen gehört. „Was meint ihr, so ein Tanzkurs, nee, nicht unbedingt Tango, aber Swing zum Beispiel, das käme doch gut. Man bewegt sich, man macht was zusammen, Musik, ein bisschen Glamour.“
Ich kenne immerhin drei Ehepaare, die Tanzkurse gebucht haben, um „mehr schöne Sachen“ gemeinsam zu machen. Mein Bekannter Pit, Single, hat mir letztens ganz entsetzt von der aufwändigen Party zum 45. Geburtstag von J. erzählt: „Die legten plötzlich so alte Tango- und Swing-Musik auf, und fast alle hatten einen Tanzkurs besucht und schoben dann durchs Geviert. Ich kam mir vor wie im Altenheim.“
Britt stochert das Papier ein bisschen zurecht. „Also Tanzkurs, nur um die Beziehung aufzumöbeln, ist zu abgeschmackt“, sagt sie, „das erinnert mich an Tipps wie ‚kaufen Sie sich raffinierte Unterwäsche, dann ist der Sex auch nach 15 Jahren wieder aufregend‘.“
„Auch der Sex verändert sich doch mit der Zeit“, schaltet sich Cora ein, „ich meine, wer schläft nach zehn Jahren noch zweimal in der Woche miteinander?“ Ich überlege. „Es gibt Paare, die haben wochenlang keinen Sex“, sage ich dann. „Das ist immer ein Warnzeichen“, behauptet Theresa, „wenn man nicht mal mehr alle zwei Wochen miteinander schläft, dann stimmt was nicht in der Beziehung.“ Wir andern schauen betreten nach unten. Angeblich reden Frauen unter sich ja immer ganz ehrlich über alles, auch über Intimes, aber das ist nur ein männliches Gerücht.
Britt hält ein Feuerzeug an das Papier, das hell auflodert. „Um Quantität geht es doch nicht“, fahre ich fort, „Klasse statt Masse.“ Ich habe in einer so genannten Studie eines Kondomherstellers gelesen, dass die Deutschen im Schnitt 90-mal Sex im Jahr haben, also 1,7-mal die Woche, jedenfalls weniger als die Franzosen, hahaha. Ich würde gern mal wissen, wer für diese „Studien“ überhaupt befragt worden ist.
„Man muss in einer langen Beziehung schon darauf achten, die Spannung zu halten“, meint Christine. Mir fällt das Ehepaar M. ein. Sie waren mal vor Jahren bei uns zum Essen. Als der Frau die Gabel hinunterfiel und sie sich bückte, um sie aufzuheben, sah ich, dass sie unter ihrem Rock Strapse trug. Sie hatten wohl gerade ihr Ehe-Aufmöbelungs-Programm am Laufen. Ich beschloss, dass man nicht alles nachmachen muss. Kann, aber eben nicht muss.
Britt schiebt das brennende Papier mit dem Schürhaken noch ein bisschen tiefer unter die Holzscheite. Das ist immer der springende Punkt beim Anfeuern: Man muss Geduld haben und darf nicht dauernd die Ofentür öffnen und mit dem Schürhaken herumfuhrwerken.
„Sex hat doch auch was damit zu tun, ob man überhaupt noch eine innere Verbindung zueinander hat“, sagt Christine, „viele Ehepaare reden kaum noch zehn Minuten am Tag miteinander.“ Neulich habe ich über das Partnerschaftstraining gelesen, das sich der Psychoanalytiker Michael L. Moeller ausgedacht hat. Danach sollen die Paare jede Woche einen Termin vereinbaren, an dem sie ungestört 90 Minuten lang mit dem Partner nur über sich selbst sprechen sollen, über das, was sie am meisten bewegt. Dabei solle man unter Zuhilfenahme einer Uhr einen „festen Wechsel“ vereinbaren, nach dem der eine Partner 15 Minuten spricht und der andere aufmerksam zuhört, ohne zu unterbrechen oder Fragen zu stellen. Dann wird gewechselt.
Britt rechnet sachlich vor: „Das bedeutet, du musst deinem Partner dreimal hintereinander jeweils 15 Minuten zuhören, ohne zu unterbrechen.“ Uff. Harte Arbeit. Vielleicht kriegt man ja etwas Zeitnachlass, wenn man das Ganze in Strapsen und im Tangoschritt absolviert.
Endlich fängt ein Holzscheit an, schwach zu glimmen. Britt hält die Ofentür noch einen Spalt weit offen, damit der Sauerstoff besser durchzieht. Ab und zu stochert sie mit dem Schürhaken nach. Ich bin mir nicht sicher, ob wir nicht doch die dünneren Birkenhölzer hätten nehmen sollen, die brennen bestimmt leichter. „Man braucht viel Geduld zum Feuermachen“, murmelt Britt. Recht hat sie. Aber dafür führt man am Kamin ja immer gute Gespräche.
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