auf der suche nach der deutschen leitkultur*: Eine Recherche der taz und des KulturRadios Lotte in Weimar*
„Ein Neologismus, der nationale Dominanzen abstecken will“
Sigrid Weigel, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Berlin
Die deutsche Leitkultur ist ein Neologismus, eingeführt als ein Kampfbegriff in der Debatte über Einwanderung, Asylrecht und so weiter. Er will nationale Dominanzen abstecken und er weckt damit unangenehme Erinnerungen an den Kulturkampf. Politische Lager funktionalisieren dabei Kultur zum Zwecke der „geistigen Landesverteidigung“.
Denn wenn es bei dem Begriff der deutschen Leitkultur schlicht darum ginge, dass die Migranten die deutsche Sprache lernen und sich an die hier herrschende Verfassung halten, dann ist das eine Banalität. Dafür braucht man keine Leitkultur, sondern beispielsweise Sprachkurse für türkische Frauen in Kreuzberg, die sich von ihren Männern scheiden lassen wollen.
Natürlich wäre es interessant, die Asyldebatte anhand der Differenz von Menschen- und Bürgerrechten einmal neu aufzurollen. Denn dass Menschenrechte nichts wert sind, wenn sie nicht durch Bürger- und Staatsrechte gedeckt sind, das hat ja schon Hannah Arendt gesagt.
*„Zuwanderer müssen sich der deutschen Leitkultur anpassen“ (Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion)
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