auf der allee gekauft 3:
Der Koran ist leider ausverkauft
„Entschuldigen Sie, haben Sie vielleicht eine deutsche Ausgabe des Korans?“, frage ich die einzige Person im Laden. Die junge Frau steht mitten zwischen Regalen und Schränkchen, in und auf denen sich allerlei Spiegel mit eingravierten Sprüchen auf Arabisch, Teddybären mit „I love you“-Aufnähern und Chai-Kännchen türmen. Beim Reingehen bin ich fast über ein Mannequin mit burgunderfarbenem Kopftuch gestolpert. Bücher sehe ich tatsächlich keine. Keine Ahnung, warum ich gerade hier reingelaufen bin, um nach einem Koran zu fragen – auf Deutsch. In der ganzen Mischung aus Farben, Samt und Schnörkeln strahlt die Frau im Laden eine außergewöhnliche Ruhe aus. Vor ihr ein Kinderwagen, das Kind darin erstaunlich still. Sie schaut mich stumm an und wiegt den Wagen vor und zurück. „Koran?“ Ich male ein rechteckiges Zeichen in die Luft und komme mir direkt unglaublich dumm vor. Sie nickt zum Glück und ruft irgendwas auf Arabisch in das Hinterzimmer. Ein grauhaariger Typ mit unglaublich weiß gebleichten, fast durchsichtig wirkenden Zähnen lächelt mich an. Ich frage noch mal. Das weiße Lächeln weiter im Gesicht, schüttelt er den Kopf. „Ausverkauft.“ Okay. „Aber zu Ramadan kommen bestimmt wieder welche rein“, sagt er. Und dann noch: „22. März, dieses Jahr“, als er merkt, dass mir diese Information nicht wirklich weiterhilft. Ich nicke. „Aber mein Bruder, der weiß, wo Sie jetzt einen bekommen. Kommen Sie.“ Schon steht er vor der Ladentür. Ich folge ihm, nicke noch der Frau mit dem Kinderwagen zu, die weiter konsequent Ruhe ausstrahlt. Stolpere wieder über die Frau mit dem Burgund-Kopftuch zurück auf die Sonnenallee. Ich denke schon, wir gehen jetzt seinen Bruder und den Koran suchen. Doch dann ruft er ihn an, nickt, redet weiter, schaut zu mir rüber: „Er hat auch keinen. Aber bei der Moschee hinter der Aral-Tanke. Da gibt es welche.“ Mmh, mal schauen.
Ruth Fuentes
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