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Archiv-Artikel

auch ein toter Keiko ist ein guter Keiko Gefundenes Touristenfressen

Der „Free Willy“-Wal findet keine Ruhe. Auch nach seinem Tod will man ihn als Touristenattraktion vermarkten

Die meisten waren sich am Samstag schnell einig: Futter solle der tote Keiko werden. Variante eins: Fressen für Krebse und Krabben. Variante zwei: Walsteaks im Feinschmeckerrestaurant oder ein McKeiko&Co bei McDonalds. Etwas Ähnliches hatte der isländische Fischer Jon Gunarsson, der Keiko 1979 als Jungtier gefangen hatte, schon vor fünf Jahren vorgeschlagen: „In Stücke zerschneiden und als Nothilfe in den Sudan schicken. Reicht für 60.000 Portionen.“

Hatte man ihn schon zu Lebzeiten nicht Wal sein lassen, soll der ärmste „Glückliche“ – so die Übersetzung des japanischen „Keiko“ – offenbar auch nach seinem Verenden an einer Lungenentzündung keinen artgerechten Frieden haben. Bei der „Free Willy Keiko“-Stiftung wird bereits darüber nachgedacht, ob man ihn nicht an Land begraben oder sein Skelett in einem Museum ausstellen solle. Was für die Geschäftstüchtigkeit der Stiftung spricht, die offenbar auch nach dem Tod ihres Stiftungsgrundes weiter leben will.

Vor einem Jahr war Keiko plötzlich in einem norwegischen Fjord aufgetaucht, nachdem man ihn zuvor in Island endgültig freigelassen hatte. Seit 1998 hatte man dort versucht, ihn in einem riesigen Unterwasserkäfig an ein Leben in Freiheit zu gewöhnen. Vor allem daran, sich selbst Fressen zu suchen. Kritisiert wurde der Auswilderungsversuch von Anfang an. ExpertInnen sprachen von hoffnungsloser Tierquälerei.

Im norwegischen Taknesfjord überlebte er schließlich auch nur mit Heringen, die an ihn gefüttert wurden. Aber auch hier wurde Keiko schnell, was er vor und nach seiner Schauspielerkarriere war: eine Touristenattraktion. Den gesamten Sommer über waren Fjord und Keiko von TV-Teams belagert. „Er war eine phänomenale Reklame“, sagt Bürgermeister Ivar Betten. Rund 20.000 Touristen seien in den Sommermonaten angereist. Die krisengeschüttelte Gemeinde sei nach zehn Jahren, in denen sie 350 EinwohnerInnen verloren hatte, plötzlich wieder richtig aufgeblüht.

Deshalb hätte Bürgermeister Betten gar nichts dagegen, sollte die Gemeinde auch nach Keikos Tod mit „Free Willy“ verknüpft bleiben. Vielleicht ja als Wallfahrtsstätte für den toten Willy.

REINHARD WOLFF