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Archiv-Artikel

arbeitszeit-debatte Verkapptes Lohndumping

Nun ist es selbst der Union zu viel. Angela Merkel und Edmund Stoiber versuchten die Debatte um längere Arbeitszeiten wieder abzukühlen, nachdem sie sie selbst hochgekocht hatten. Die geforderte Wochenarbeitszeit von 50 Stunden weckt bei den Konservativen die Sorge, ihre eigenen Vorschläge könnten durch solch überzogenen Forderungen völlig desavouiert werden.

KOMMENTAR VON MATTHIAS URBACH

Von weniger Urlaub über weniger Feiertage bis hin zu längeren Jahresarbeitszeitkontingenten ist inzwischen so ziemlich jede Variante im Gespräch. Da ist es seltsam, dass Präsident Horst Köhler eine Debatte „ohne Tabus“ verlangt. Angebrachter wäre doch wohl eine Debatte ohne falsche Argumente.

Da wäre vor allem die Behauptung, längere Arbeitszeiten schafften mehr Jobs. Tatsächlich gibt es international keinen Zusammenhang zwischen Wochenarbeitszeit und der Lage am Arbeitsmarkt, wie jüngst der Arbeitsmarktexperte des politisch unverdächtigen Industrieländerclubs OECD unterstrich.

Dazu schaue man sich bloß die in hartem Wettbewerb stehende Autoindustrie an: Bei VW montieren die Arbeiter im Schnitt 32,5 Stunden die Woche. Grundlage ist ein flexibles 28,8-Stunden-Modell. Andernfalls hätten Zehntausende ihren Job verloren. Auch Opel stellte in Rüsselsheim wegen Absatzproblemen auf 30 Stunden um.

Das Entscheidende ist doch: Niemand fordert bloß eine Verlängerung der Arbeitszeit, sondern stets Mehrarbeit ohne Lohnausgleich. Denn darum geht es im Kern. Die Deutschen sollen weniger verdienen, die Industrie mehr – damit sie Jobs schafft. Doch verschweigen die Reformeiferer, dass die Löhne in Deutschland seit den Neunzigern so langsam steigen wie in keinem anderen EU-Land – ohne erkennbar positive Effekte auf den Arbeitsmarkt. Das ist im Übrigen ein zentraler Grund, warum der Konsum so stagniert. Niedrigere Löhne werden damit zum Jobkiller.

Tatsächlich kann sich ein Land auch hohe Löhne leisten, solange die Produktivität entsprechend steigt. Da Deutschland die größte Exportnation ist, kann es damit so schlecht nicht stehen. Um diesen Status zu sichern, wäre es klug, über eine andere Belastung zu reden: die hohen Lohnnebenkosten. Kein Gesetz hat bislang diese so entlastet wie die Ökosteuer, deren Einnahmen nun die Rentenkassen stützen. Aber Entschuldigung, Herr Köhler, damit verletzen jetzt wir wohl ein konservatives Tabu.

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