arbeitsämter : Wunder der Kommunikation
Man kann sich schon wundern über die Kommunikationsabsichten von Florian Gerster. Ein Leserbrief benötigte kürzlich nur wenige Sätze: „Warum brauchen Arbeitsämter Marketing?“, wunderte sich ein Arbeitsloser. Er jedenfalls würde auch ohne jede Werbung wissen, dass er sich ans Arbeitsamt wenden müsse. Wohin denn sonst?
KOMMENTAR VON ULRIKE HERRMANN
Dem Wirtschaftsausschuss im Bundestag stellt sich die Frage ähnlich. Gestern traf er sich zu einer Sondersitzung, um herauszufinden, ob Arbeitsamtschef Gerster die Beraterfirma WMP wirklich ohne Ausschreibung beauftragen musste, eine Kommunikationsstrategie für 1,3 Millionen Euro zu erarbeiten.
Um es kurz zu sagen: Hinterher waren die Abgeordneten etwa so schlau wie vorher. Und das lag nicht nur daran, dass sich Gerster weigerte, die Vertragsunterlagen mit WMP herauszurücken. Vor allem blieb die eigentliche Frage unbeantwortet: Was könnte denn kommuniziert werden? Welche positive Botschaft hat das Arbeitsamt mitzuteilen?
Die Antwort blieb unklar, obwohl Gerster nie um eine Antwort verlegen war. So ärgerte ihn im Frühjahr, dass niemand an die „Ich-AGs“ glauben wollte, die zum Unwort des Jahres 2002 gekürt worden waren. Dabei sind sie doch ein Erfolg! Schließlich gibt es zahlreiche Arbeitslose, die sich selbstständig machen. Also, so kann man die Analysen von Gerster wohl zusammenfassen, braucht es nur eine geeignete Kommunikationsstrategie. Dann würden die Arbeitslosen endlich merken, dass sie sich über ihre eigene Lage täuschen: Sie ist gar nicht so schlecht wie gedacht!
Das ist zynisch gegenüber den Betroffenen – und wie der Leserbrief zeigt, empfinden sie es auch so. Sie wissen selbst am besten, dass sie keine „Kunden“ sind, wie Gerster sie jetzt nennt. Sie müssen nicht geworben werden. Sie haben keine andere Chance.
Genau dies erklärt übrigens auch den Boom der „Ich-AGs“: Sie sind so ungefähr das einzige Angebot der Arbeitsämter. Reale Überlebenschancen haben nur die wenigsten dieser Miniunternehmen, wie die Experten prognostizieren. Schließlich ist der Markt weitgehend gesättigt.
Arbeitslosigkeit ist eine Realität. Damit müssen sich Gerster und die Gesellschaft abfinden. Die Frage lautet daher nicht: Wie entwerfe ich hübsche Werbebroschüren? Sondern: Wie ermöglicht man auch Menschen, die ihren Job verlieren, eine neue Alternative?
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