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arabiata: die ballade von der grillade von BJÖRN BLASCHKE

Die Deutschen sind dafür bekannt, dass sie alles und jedes mit jedem und allem vergleichen. Wahrscheinlich können sie sich so leichter durchs Leben hangeln. Das Unbekannte flugs auf die Stufe des Bekannten gewuppt – und schon muss das Neue nicht mehr mühsam entdeckt werden, sondern gehört von vornherein zum Alten. Dass ein Vor-Urteil so nie zu einem Urteil werden kann, ist dabei völlig schnurz. Vergleiche machen das Leben quadratisch, praktisch, schlecht.

Wenn die Türken als die „Deutschen des Nahen Ostens“ gelten, weil sie untertänig und fleißig sind sowie ihre Autos und Hunde lieben; wenn die Libanesen aufgrund ihrer Geschäftstüchtigkeit und ihrer vielen Banken als die „Schweizer der Levante“ gehandelt werden; ihre Hauptstadt Beirut wegen ihres Nachtlebens als „das Paris der arabischen Welt“ hoch im Kurs steht – dann, ja dann sind „die Jordanier die Belgier Arabiens“. Denn: Die eine Autobahn des Königreichs, die sich von Aqaba am Roten Meer bis zur syrischen Grenze hochteert, ist zumindest auf der Höhe von Amman gelb beleuchtet. Ganz so wie die Autobahn im Königreich Frittistan.

Und noch etwas macht die Jordanier zu den „Belgiern des Nahen Ostens“ und Amman zum „Brüssel der arabischen Welt“: Buchstäblich zu hunderten fahren sie allabendlich hinaus auf die Autobahn. Wenn sie irgendwo noch ein freies Plätzchen erheischen können, stoppen sie auf dem Haltestreifen, rollen in der Straßenrandbegrünung einen Teppich aus und schmeißen einen Grill an, um zu picknicken – im trauten Kreis von Familie und Freunden, im Dunst von Abgasen und Kohlenqualm und im romantischen Schein der schönen gelben Autobahnbeleuchtung.

Am Wochenende fahren die Jordanier gern in eines der echten Grillparadiese. Zum Beispiel ins Naturschutzgebiet von Ajloun. Als ich da kürzlich wandern wollte, lagen in dem „Nature Reserve“ so viele Jordanier neben ihren Super-Barbeques, dass ich grollte, mich trollte und seither nicht mehr grille …

Für ihren Autobahn-Picknick-Tick jedenfalls sind die Jordanier in den anderen arabischen Ländern mittlerweile richtig berühmt. Als Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi im vergangenen Jahr aus Libyen zum Treffen der arabischen Liga nach Amman gekommen war, soll er eines Abends das Gipfel-Büfett verschmäht haben. Stattdessen, das wird noch heute kolportiert, sei er zur Autobahn gefahren, habe einige jordanische Grillmaster besucht und Wurst und Kotelett genascht. Großzügig soll er seine überwiegend wohl unfreiwilligen Gastgeber mit Trinkgeldern bedacht haben. Bis zu siebenhundert Dollar! So geht die Ballade von der Grillade. Dass er die Kost vom Rost dem Restaurant-Futter vorgezogen haben soll, erscheint nicht verwunderlich. Gaddafi nächtigte seinerzeit auch nicht im Hotel, sondern in seinem eigens mitgebrachten Nomadenzelt. Er hatte damals seine Kamelstutenmilch vergessen. Und seine Nudeln. Neben Öl produziert sein Land nämlich auch Unmengen von Pasta, weshalb Libyen unter den Arabern übrigens als „Italien des Nahen Ostens“ gilt.

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