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angst vor biowaffenAktentasche über den Kopf

Der beste Selbstschutz gegen den Terrorismus besteht gegenwärtig darin, kein Fernsehen mehr zu gucken. Wer dazu die Nerven nicht hat, kann wenigstens das Anti-Terror-Paket „Ensure 1“ erwerben. Das Set, von einer Berliner Firma angeboten, enthält Jodtabletten gegen ein „Atom-Attentat“, eine Atemschutzmaske gegen einen „Chemie-Angriff“ und Antibiotika gegen einen „biologischen Angriff“. Wem das Set, Preis 300 Mark, zu teuer ist, der kann sich immer noch das Holzschwert vom eigenen Söhnchen leihen. Der läuft damit nämlich sicherheitshalber rum, falls Bin Laden um die Ecke kommt.

Kommentarvon BARBARA DRIBBUSCH

Die Terrorismusangst hat eine neue Stufe erreicht – und mit der frisch entflammten Diskussion über biologische Waffen kommt das Böse jetzt noch mal in neuer Verkleidung daher. Nun geht es nicht mehr nur um unbekannte Mörder, die gemeinsam mit ihren Opfern in einem Feuerball aus der Welt verschwinden. Der Tod schleicht sich vielmehr unsichtbar an, in Form von Erregern durch die Grundelemente Wasser oder Luft. Milzbrand! Schon wieder einen neuen Begriff gelernt.

Sind die Ängste nun Hysterie, oder ist derjenige neurotisch, der innerlich abwinkt? Die Antwort kann sich jeder aussuchen. Nur so viel als Entscheidungshilfe: Über die Auswirkungen des Bio-Terrorismus herrscht unter Experten kein Einvernehmen. Nicht wenige Sachverständige warnen vor unberechtigter Panik. Schließlich sei die Herstellung biologischer Waffen aufwendig, die Beteiligten wollten sich ja nicht selbst infizieren. Zudem könne man aus physikalischen Gründen durch das Versprühen von Krankheitserregern nur in begrenzten, kleineren Räumen Schaden anrichten. Auch das Trinkwasser sei nicht so einfach zu vergiften, schon allein wegen des enormen Wasserdrucks – man bekommt nichts in die Hauptleitung hinein.

Nicht wenige kramen jetzt ihre alten Physik- oder Biokenntnisse hervor. Das Thema Terrorismus ist in der Nahwelt angekommen. Und darum geht es. Die Boulevardzeitungen haben ein gutes Gespür dafür, Tag für Tag immer neue Angst auf die alte zu stapeln. Falls man demnächst verdächtige Strahlen ortet, wo mal ein Terrorist gesichtet wurde, gibt es auch heute noch keine tauglicheren Mittel zur Angstbekämpfung als in den 50er-Jahren. Die US-Regierung empfahl damals gegen die Atombombe: Duck and cover, auf den Boden werfen und Aktentasche über den Kopf! Mehr können Sie auch heute nicht tun.

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