■ amnesty veröffentlicht Rezepte von Flüchtlingen: Die Welt kocht
Münster (taz) – Möchten Sie Kazanhinga essen? 250 Gramm Glasnudeln, 200 Gramm Sojablätter und 70 Gramm Morcheln zwei Stunden lang einweichen. Ein Hähnchen 25 Minuten in Wasser mit Salz und Pfeffer kochen und anschließend mit den Händen kleinrupfen. Das ganze mit Fischsoße, Aginomoto aus dem Asienshop, Zwiebeln und Maruka würzen und noch einmal eine halbe Stunde garen lassen. Fertig ist das aus Birma stammende Gericht.
Das Kochrezept ist eins von rund fünfzig aus Herkunftsländern in Deutschland lebender Flüchtlinge. Alle beschriebenen Gerichte – ob das Gemüselamm aus Nepal oder das Peperonigulasch der Roma – sind typisch, einfach und relativ leicht zuzubereiten. „Die Welt kocht“ – so ist der von einer amnesty-Asylgruppe aus Münster veröffentlichte Band betitelt, und wie es sich für ein richtiges Polit- Kochbuch gehört, werden zu jedem Rezept Informationen über die politische Situation des betreffendes Landes kredenzt. Die Autoren und Autorinnen, die alle ausgewählten Mahlzeiten zuvor gemeinsam mit Flüchtlingen probegekocht und -gekostet haben, informieren über politische Verfolgung und Fluchtgründe und zitieren aus bundesdeutschen Gerichtsurteilen oder Behördenbescheiden, mit denen Asylbegehren abgeschmettert wurden.
Isolation kennzeichnet das Leben der meisten Flüchtlinge in der Bundesrepublik. Eine Möglichkeit, diese Monotomie zu durchbrechen, besteht in der Zubereitung eigener Gerichte. Doch auch dieser Weg wird verbaut: Die AsylbewerberInnen werden in Heimen zusammengepfercht und mit Fertiggerichten versorgt. Das Kochbuch will Flüchtlingen und BundesbürgerInnen Mut machen, über gemeinsam gekochte und eingenommene Mahlzeiten Kontakte aufzubauen.
Sicher nicht für alle leicht verdaulich, gibt es gewissermaßen als Vorspeise ein Zitat von Carlo Schmid zu lesen: „Die Asylgewährung ist immer eine Frage der Generosität, und wenn man generös sein will, muß man riskieren, sich gegebenenfalls in der Person geirrt zu haben.“ Und zum Dessert bieten die VerfasserInnen folgendes an: „Nach den Erfahrungen während der Nazi-Diktatur nahmen wir einen einfachen Satz in unsere Verfassung auf: Politisch Verfolgte genießen Asyl. Was gibt es daran zu ändern?“ Reimar Paul
Bestelladresse: amnesty international, Asylgruppe Münster, Achtermannstr. 10–12, 48148 Münster
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