american pie : Ihn sticht der Hafer
Brett Favre, lebende Quarterback-Legende, will nach seinem Rücktritt doch wieder für die Green Bay Packers spielen. Oder fintiert der 38-Jährige?
Björn Borg staubte seinen alten Holzschläger wieder ab. Axel Schulz ließ sich noch mal verprügeln. Und Michael Jordan kam gleich zweimal wieder zurück, obwohl er endgültig gegangen schien.
Es ist schwer für erfolgreiche Sportler, von dem zu lassen, was sie am besten können. Oft merken sie das aber erst, wenn sie das eigentlich nicht mehr tun wollen, was sie doch so gut können. Dann folgt der Rücktritt vom Rücktritt.
Nun hat dieses Schicksal Brett Favre ereilt. Noch im März hatte der Quarterback der Green Bay Packers unter Tränen seinen Abschied vom Leistungssport erklärt. Das Aushängeschild der National Football League (NFL) verkündete, er sei müde und wolle sich fortan mit Rasenmähen auf seinem knapp zwei Quadratkilometer großen Anwesen im heimischen Mississippi beschäftigen.
Nur vier Monate später allerdings scheint klar – die gewöhnlich gut informierten Kreise jedenfalls handeln es bereits wie eine Nachricht –, dass der 38-jährige Favre doch wieder Football spielen möchte. Anstatt sich über Favres Bereitschaft zu freuen, den geschundenen Körper noch einmal für den Kultklub aus Wisconsin quälen zu wollen, versuchen die Packers-Verantwortlichen ihn hinter den Kulissen davon zu überzeugen, doch lieber weiter den Rasen zu stutzen. Denn die Packers, deren Gesicht Favre 16 Jahre lang war, stürzt die potenzielle Rückkehr des Quarterbacks in ein Dilemma.
Zuerst einmal würde Favres Rückkehr den Packers 12,8 Millionen Dollar kosten, die sie ihm zahlen müssten und die ihnen für Ergänzungsspieler fehlen würden. Außerdem haben sie in den vergangenen Monaten Aaron Rodgers als seinen Nachfolger aufgebaut. Und der 24-Jährige, der bereits die vergangenen drei Jahre brav auf der Bank auf seine Chance gewartet hat, wird kaum lächelnd zur Kenntnis nehmen, wenn der ihm versprochene Platz dem alten Herrn überantwortet wird. Der ehrgeizige Favre, der seit 1992 kein einziges Spiel ausgelassen hat, wird sich aber nicht mit einem Status als Ersatzmann begnügen. Bleibt den Packers noch die Möglichkeit, Favre gegen junge Talente an einen anderen Klub abzugeben oder einfach zu entlassen, damit er sich einen neuen Verein suchen kann. Doch die beiden Klubs, die am dringendsten einen erfahrenen Quarterback gebrauchen könnten, sind ausgerechnet die Chicago Bears und die Minnesota Vikings: Die Vorstellung, dass der alle verfügbaren NFL-Rekorde haltende Favre bei einem verhassten Lokalrivalen seine Karriere beendet, dürfte bei den Fans in Green Bay nicht gut ankommen.
Es ergibt sich also eine No-win-Situation für die Verantwortlichen bei den Packers: Entweder verärgert man den Quarterback der Zukunft und versaut sich die Stimmung in der Mannschaft, oder man geht in die Geschichte ein als die Idioten, die den in Green Bay gottgleich verehrten Favre zur direkten Konkurrenz vergrault haben.
Noch aber haben sie eine Chance, die Katastrophe abzuwenden. Zwar haben ehemalige Mitspieler bestätigt, Favre habe ihnen gesagt, er wolle zurückkehren, und auch sein Extrainer Steve Mariucci ließ wissen, die lebende Legende steche der Hafer. Aber bislang hat Favre die Spekulationen über eine Rückkehr offiziell als „Gerüchte“ abgetan. Zudem gilt er als extrem wankelmütig: Schon in den letzten Jahren wurde vor jeder Saison monatelang über seinen Rücktritt spekuliert.
Es kann also gut sein, dass demnächst der Rücktritt vom Rücktritt vom Rücktritt folgt. Wahrscheinlicher aber ist, dass Favre die Packers, die Presse in Green Bay und die amerikanische Öffentlichkeit noch ein paar Monate beschäftigen wird.
THOMAS WINKLER